12.12.2013 - Berliner Zeitung

Wie halten Sie es mit der Verhütung?

Von Julia Haak

Sind die Vorstellungen der katholischen Kirche zu Liebe, Sex und Zärtlichkeit überhaupt noch mit der Lebenswirklichkeit der Gläubigen in Einklang zu bringen? Papst Franziskus lässt die Gläubigen zu Partnerschaft, Ehe und Sexualmoral jetzt ausführlich befragen.

Wie ist Ihre Beziehungssituation? Standesamtlich verheiratet, kirchlich verheiratet, unverheiratet in einer festen gemischtgeschlechtlichen oder gleichgeschlechtlichen Partnerschaft? Wen das etwas angeht? Der Papst möchte das wissen. Diese Fragen stellen derzeit katholische Bischöfe im Auftrag des Papstes ihren Gemeindemitgliedern. In einer weltweiten Umfrage hat Papst Franziskus die Kirchenmitglieder dazu aufgefordert, ihm mitzuteilen, was sie von der kirchlichen Lehre zu Partnerschaft, Ehe und Sexualmoral halten und wie sie selbst leben.

45 Fragen hat der Papst den Gläubigen gestellt. Auf diese Weise soll eine Bischofssynode im Oktober kommenden Jahres vorbereitet werden. Die Fragen haben es in sich. So will Papst Franziskus herausfinden, ob die Gläubigen überhaupt wissen, was die kirchliche Lehre zu Liebe, Sex und Zärtlichkeit sagt. Und er fragt, ob sich die Kirchenmitglieder an diese Lehre halten. Auf einer Skala von 1 (gar nicht) bis 10 (voll und ganz) sind Antworten möglich.

Aber damit nicht genug. Die Kirche fragt auch nach Beziehungssituationen, die nach kirchlicher Lehre gar nicht erlaubt sind. Ob die Mitglieder nach gescheiterter Ehe wieder verheiratet sind zum Beispiel. Das führt normalerweise zu einem Ausschluss von der Kommunion. Franziskus will auch wissen, wie die Eltern gelebt haben und ob die Kirche sie deshalb ausgegrenzt hat. Auch die Ansichten zu gleichgeschlechtlicher Liebe interessieren ihn: „Spielt die kirchliche Bewertung von praktizierter Homosexualität für Sie eine Rolle?“

Vatikan: Ergebnisse zunächst geheim halten

Die Fragen gehen weit in persönliche Details. Die Gläubigen sollen Auskunft geben, ob für sie Methoden zur Empfängnisverhütung infrage kommen und wenn ja welche: Kondome, Hormone, Mittel, die den Eisprung oder das Einnisten des Eis verhindern.

Die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ ruft alle deutschen Katholiken dazu auf, sich an der Umfrage zu beteiligen, „und damit den neuen Kurs in Rom zu unterstützen.“ Frage 34 lautet nämlich: „Was wünschen Sie sich von der Kirche?“

Wie sich Berliner Katholiken ihre Kirche vorstellen, wüsste man natürlich gern. Das Thema scheint auf großes Interesse zu stoßen. Jedenfalls spricht das Erzbistum von einer hohen Beteiligung an der Umfrage. 550 Antwortschreiben sind bisher bei Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki eingetrudelt. „Es berührt mich, weil in manchen Antworten auch ganze Lebensgeschichten erzählt werden. Man kann in vielen Texten erkennen, dass die Fragen den Menschen wirklich am Herzen liegen“, sagt Woelki.

Ob die Katholiken ihrer Kirche jetzt mal ordentlich die Meinung über eine altertümliche Sexualmoral gesagt haben, die nur noch entfernt etwas mit der Lebenswirklichkeit vieler Mitglieder zu tun hat, wie bereits gerüchteweise zu hören war, erfährt man allerdings von offizieller Seite vorerst nicht. In einem Brief hat der Vatikan vor einigen Tagen darum gebeten, die Ergebnisse erstmal geheim zu halten.

Noch keine Reformen versprochen

Wer fragt, der kriegt auch Antwort. Manchmal fällt die allerdings nicht so aus, wie erwünscht. Ob das der Grund für die Geheimniskrämerei ist, lässt sich an dieser Stelle allerdings nicht klären. Und so bleibt nur die Mutmaßungen, dass vielleicht die Angst vor der eigenen Courage dahinter steckt.

Eigentlich sollten die Fragen bereits bis zum 1. Advent beantwortet werden. Aber nur wenige Gemeinden drückten ihren Mitgliedern tatsächlich Zettel mit den Fragen in die Hand. Viele Gläubige erfuhren bisher gar nichts von der Umfrage, andere nur über die Internetseite des Bistums, auf der Erzbischof Woelki für die Umfrage geworben hat. Woelki will aber auch selber gern wissen, was die Berliner Katholiken so denken. Er will auch alle noch weiter eintrudelnden Antworten selbst lesen. Ob die Wünsche am Ende erfüllt werden, liegt nicht in seiner Hand. Der Vatikan hat keine Reformen versprochen. Noch.

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/kirchen-umfrage-wie-halten-sie-es-mit-der-verhuetung-,10809148,25605936.html

Zuletzt geändert am 16­.12.2013