23.11.2001 - Publik-Forum Nr. 22, S. 28

Stand Lehmann unter Druck?

von Thomas Seiterich-Kreuzkamp

Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen. Und trotzdem bleibt ein schriller Misston angesichts der Art, in der der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) über die Sprecher des Kirchenvolksbegehrens urteilte. Ein Brief, beinahe sechs Jahre alt und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, wird von Publik-Forum aufgedeckt und gelangt spät an die Öffentlichkeit.

Mittlerweile ist viel Zeit ins Land gegangen. Es ist da und dort zu Gesprächen zwischen Bischöfen und Kirchenreformern gekommen. Den zielgerichteten Reformdialog mit den Wir-sind-Kirche-Reformern verweigern die deutschen Bischöfe unter Hinweis darauf, sie seien nur Filialleiter der Papstkirche und der Heilige Vater, der letzten Endes alles bestimme, regiere nun mal in Rom.

Es hat sich in den Jahren seit 1995 der quälende Konflikt mit Rom über die Schwangerenkonfliktberatung ereignet. Bischof Lehmann wurde zeitweise von Rom sehr gebeutelt. Doch er ist nach wie vor Vorsitzender der Bischofskonferenz und im Februar 2000 sogar zum Kardinal aufgestiegen. Der interne Brief von damals – ist er Lehmann heute peinlich? Der sonst so mitteilungsfreudige Kardinal schweigt. Zwei Mal haben ihn Frauen und Männer aus dem Bundesteam des Kirchenvolksbegehrens angeschrieben, zunächst im September und dann nochmals am 20. Oktober. Sie baten Lehmann freundlich um ein Gespräch über seinen Brief vom 2. Dezember 1995. Ohne Erfolg. Auch Publik-Forum lud Lehmann – der Sache wegen, ebenso aus Fairness – zur Stellungnahme ein: Keine Antwort.

Die Sprecher des KirchenVolksbegehrens, über die Lehmann damals so herablassend und kalt urteilte, äußern sich. Dieter Grohmann, Vorsitzender der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) in Dortmund: »Ich denke, der Brief ist für Bischof Lehmann peinlich. Und zwar, weil Lehmann in der Begegnung mit uns sich ganz anders verhielt als in seinem Brief. Was Bischof Lehmann über uns sagte, ist inhaltlich völlig daneben.«

Eva Maria Kiklas, Katholikin aus Dresden, sagt: »Erstmal habe ich lachen müssen über Lehmanns Brief. Doch dann fiel mir auf, dass der Brief-Ton manchem Stasi-Dokument ähnelt.« Christian Weisner, Mitglied im Bundesteam von Wir sind Kirche, sagt: »Na ja. Vielleicht stand Bischof Lehmann damals stark unter Druck. Vermutlich wähnte er sich gezwungen, sich bei seinen Mitbischöfen für sein Gespräch mit uns drei Sprechern des KirchenVolksbegehrens rechtfertigen zu müssen.«

http://www.publik-forum.de/archiv/stand-lehmann-unter-druck

Zuletzt geändert am 08­.09.2011