12.7.2011 - Badische Zeitung

"Ich kann das nicht einfach in die Tube zurückdrücken"

Warum man nach dem Mannheimer Auftakt des katholischen Dialogprojekts trotz früherer Erfahrungen etwas Hoffnung haben darf.

Der erste sichtbare Lerneffekt trat für katholische Verhältnisse mit Lichtgeschwindigkeit ein: Am Freitagmittag hatten die Bischöfe Kritikern noch erklärt, es sei ganz normal, dass sie als Veranstalter auch planten, die abschließende Pressekonferenz zum zweitägigen Gesprächsforum in Mannheim allein zu bestreiten – ohne Vertreter der knapp 300 anderen Gläubigen, mit denen sie einen Dialog auf Augenhöhe führen wollten. Schon am Abend sickerte aber durch, dass die Oberhirten sich eines Besseren besonnen hatten – das Podium am Samstag war dann tatsächlich gemischt, inklusive Frauen.

Der Schwenk illustriert zweierlei: Erstens zeigten sich die Bischöfe zur Selbstkorrektur bereit; schon das wird manche überrascht haben. Vor allem aber belegt die Entscheidung, die Interpretationshoheit vor der Öffentlichkeit zu teilen, ungewohnten Mut – ein beredtes Zeugnis für das Vertrauen, das gleich am Anfang des mehrjährigen Prozesses in den teilnehmenden Bischöfen gewachsen ist. Darunter waren durchaus auch einige, die dem Projekt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Robert Zollitsch, bislang nicht mit wahrnehmbarem Enthusiasmus begegnet sind.

Im Vorfeld der Veranstaltung hatte es viel Skepsis gegeben: Zu langfristig, zu unkonkret, zu wenig ergebnisorientiert seien die Pläne – und vielleicht ohnehin nur eine Nebelkerze, um dem innerkirchlichen Aufruhr nach dem Skandaljahr 2010 die Richtung zu nehmen. Unter den Abgesandten aus den 27 deutschen Diözesen, aus Gremien, Orden, Verbänden und Wissenschaft war die Hoffnung auf echte Veränderung anfangs ebenfalls gedämpft, auch weil das bis zuletzt geheime Programm zweier Unternehmensberaterinnen schließlich eher langatmige Selbstfindungsübungen vorzusehen schien als konfliktfreudige Zielorientierung.

Offenheit und Ehrlichkeit auf beiden Seiten

Am Ende war es aber genau dieser biografisch-persönliche Ansatz, der die eingefahrenen Linien und Hierarchien aufbrach: Privates kann man nicht in Frontstellung teilen. Stattdessen bot sich in Kleingruppen die Gelegenheit zu erfahren, dass das Gegenüber gar nicht so aggressiv oder borniert ist wie gedacht.

Offenheit und Ehrlichkeit waren die meistgenannten Worte, die die Teilnehmer für ihre Gespräche fanden. Dass die Bischöfe es schließlich auch wagten, vor dem Plenum die Schwierigkeiten zu benennen, die ihre Rolle und auch ihr Kollegium ihnen bisweilen bereiten – das sagte mehr über die bis dahin gewachsene Atmosphäre als jedes Schlusswort. Zumal die befürchtete Tabuisierung kritischer Themen nicht eingetreten war. Die zahllosen Punkte, die zu Papier gebracht wurden, sollen auf der Internetpräsenz der Bischofskonferenz dokumentiert werden.

Reformgruppen wie "Wir sind Kirche" nicht einzuladen war eine heikle Entscheidung – in ihnen engagieren sich leidenschaftliche Christen für populäre Anliegen. Allerdings fügte sich ihre Abwesenheit mit der jener Bischöfe, die für Skepsis im Dialogprozess bekannt sind. "Die Atmosphäre hier sollte die allgemeine Atmosphäre von Kirche werden, das wäre schon viel", meinte ein Teilnehmer in Mannheim. Wären unmittelbar ergebnisorientierte Reformer auf Hardliner in Angst vor dem Machtverlust geprallt, wäre es zu dieser Atmosphäre vielleicht nie gekommen. Wer mitreden möchte, sollte aber künftig auch die Chance dazu haben.

Man kann sich durchaus fragen, warum der Mannheimer Geist weiter tragen sollte als die Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil oder der Würzburger Synode 1975. Wichtige Bischöfe fehlten, und dass die Beerdigung des Berliner Kardinals Georg Sterzinsky ausgerechnet auf Samstag gelegt wurde und Zollitsch wie Kardinal Reinhard Marx damit nötigte, früher abzureisen, zeugt auch nicht gerade von Hochschätzung fürs nationale Katholikengespräch.

Aber nicht nur der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode glaubte an den neuen Geist: "Ich kann das nicht einfach in die Tube zurückdrücken." Die Berichte darüber würden bei den Kollegen mit Sicherheit ihre Wirkung tun – "ich glaube, dass wir den anderen die Sorge oder die Angst nehmen können, dass man sich hier nur wie auf dem Markt etwas abringt". Vor Kurzem wäre es noch undenkbar gewesen, öffentlich anzuerkennen, dass irgendwer in der DBK Angst haben könnte.

Vorerst nur ein gegenseitiger Vorschuss – aber immerhin

Auch manche Laien konnten sich am Ende nicht vorstellen, dass das Angestoßene ganz ohne Folgen bleibt. Das künftige Gespräch muss dem Vertrauensvorschuss beider Seiten aber erst noch entsprechen. "Wir nehmen das ernst!" (Marx), "Ich versichere Ihnen: Der Weg geht weiter!" (Zollitsch) – die Beschwörungen der Bischöfe sind keine Garantie, dass in die Kirche ein neuer Umgang Einzug hält. Ihre Inständigkeit ist allerdings ein Zeichen dafür, dass eine zunehmende Zahl der Bischöfe den Ernst der Lage erkennt und die eigene Glaubwürdigkeit in die Waagschale wirft. Das ist ein Anfang.

http://www.badische-zeitung.de/kommentare-1/ich-kann-das-nicht-einfach-in-die-tube-zurueckdruecken--47346803.html

Zuletzt geändert am 20­.07.2011