Herbst 2005 - imprimatur Nr. 7

Modell der Kirchenführung: Der Feldherrnhügel

„Bei entscheidenden Schlachten zogen es Feldherrn daher vor, Kommando und Kontrolle selbst auszuüben, statt dies ihren Heerführern zu überlassen. Voraussetzung für eine persönliche Befehlsausübung war die Wahl einer topographisch geeigneten Beobachtungsposition. Diese sollte einen Überblick bieten, aber für Heerführer wie etwa Wellington auch die Möglichkeit geben, sich im Verlauf der Schlacht zu einzelnen Truppenteilen zu begeben. Der Begriff Feldherrnhügel ist daher eine Reduktion verschiedenster Stile und Funktionen von Kommando und Kontrolle. Er reicht dennoch aus, um zu verdeutlichen, dass bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Führung von Feldschlachten von der Idee des alles überblickenden Feldherren geprägt war.“ (Aus: „Wissenschaft & Frieden Dossier Nr. 24“)

Das Medienereignis „Weltjugendtag“ in Köln ist vorüber. Die Schwindelerregende Zahl von über 1 Million Menschen, die sich am Schlusstag um den „Feldherrnhügel“ versammelt hat, ist verrauscht. Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die in ihren Alltag zurückgekehrt sind, kommen in großer Zahl ins Schwärmen, wenn sie von diesem Event erzählen. Kritische Äußerungen beziehen sich auf die Abfahrt nach dem Schlussgottesdienst, die teilweise 10 Stunden und mehr gedauert hat und wirklich nur unfallfrei bleiben konnte, weil es wohl Bataillone von Schutzengeln gegeben hat, dafür aber zu wenig Ordnungskräfte, denen es gelungen wäre, die Busse ins Laufen zu bringen. Unwichtig war auch für viele, ob sie den Papst gesehen haben oder nicht: beim Schlussgottesdienst war der äußere Ring über 2 km vom „Feldherrn“ entfernt, also war er nur als kleiner Fleck in der Landschaft zu vermuten. Zudem war der Hauptakteur verdeckt durch ganze Heerscharen von bunt gekleideten Herren, die eitel und fromm um den „Heiligen Vater“ geschart standen oder saßen. Ein winkender Papst auf dem Rhein, auch wieder für viele nicht zu sehen, und eine lichte Gestalt hinter Sicherheitsglas im Papamobil, die winkend und segnend vorüberrauschte. Die Fernsehzuschauer hatten da mehr Glück. Sie hatten den Papst ständig aus schönster Nähe im Blickfeld. Es war wohl gut, dass der neue Papst „Benedetto“ dabei war, denn schon das Wissen um diesen Tatbestand reichte für den Jubel aus. Der Jubel der Massen war es dann auch, der die Moderatorinnen und Moderatoren der Fernsehanstalten zu unkritischer Berichterstattung verführten. Das führte bei nicht wenigen Zuschauer(innen) dazu, sich nach den Tagen des Jubels von früh bis spät nach einer „papstfreien Fastenzeit“ zu sehnen. Auch die evangelischen Schwestern und Brüder aus den Kirchen der Reformation, die zu Wort kamen, konnten endlich aufatmen. Ihr zwanghaftes Bemühen, dem großen römisch-katholischen Ereignis einen positiven Sinn zu geben, war irgendwann ein Ende gesetzt.

Wird man mit dieser Einschätzung dem Ereignis „Papst in Deutschland“ gerecht? Nein. Man würde die vielen Besucher(innen) des Ereignisses verletzen. Viele kamen, wollten sehen und siegen: über die missliche Lage in ihren Ortsgemeinden, über die ganzen Diskussionen um die „Mangelerscheinungen“ (Christenmangel beim Sonntagsgottesdienst, Priestermangel, Glaubensmangel, Gottesdienstangebotsmangel u.a.). Es war nicht die Zeit der kritischen Begleitung von „Wir sind Kirche“ bis „Kirche von unten“; denn jedes kritische Wort wurde als „Stänkerei“ empfunden. Es war auch nicht die Zeit der kritischen Fragen zu den „kirchenpolitischen Leichen“, die der vorherige Kardinal Ratzinger auf dem Gewissen hat. Den aufgeschütteten Papsthügel bei Köln könnte man sich gut als „Gruft“ für diese Leichen vorstellen, auf der die Heerscharen der bunt gekleideten Kleriker vergnügt das Zentrum ihres Glaubens, die Eucharistie, feierten. Ganz am Rande wurde registriert, dass eine Lichtgestalt, der Leiter von Taizé, Roger Schutz, einem unsinnigen „Attentat“ zum Opfer gefallen ist. Wäre er in Köln gewesen, dann wäre keine geistesgestörte Rumänin bis zu ihm vorgedrungen und Papst Benedetto hätte wieder Gelegenheit gehabt, diesem „ökumenischen Ausnahmechristen“ die Hl. Kommunion zu reichen, die allen anderen Nichtkatholiken offiziell vorenthalten wurde.

Einer, der auf jeden Fall von diesem Auftrieb profitiert hat, ist Ortskardinal Meisner. Wie David um die Bundeslade, so wirbelte er in seinem hohen Alter um den Duzfreund „Heiliger Vater“ herum. Er ist so angetan von „der Jugend in der Kirche“, dass er bei Ihnen weder Kondome noch Kirchenferne sehen kann. Er sieht sich bestätigt bei der Rekrutierung seiner konservativen Jugendriege und den dazu gehörigen Priesteramtskandidaten. So will er ab sofort einen jährlichen Jugendtag in Köln und einen europäischen Jugendtag initiieren. Dabei schwebt ihm wohl vor, die Rolle spielen zu können, die jetzt der „Heilige Vater“ gespielt hat. Sei es ihm gegönnt.

Bleibt dem Chronisten nachzutragen, dass der neue Papst auf seine Art in der Brandung stand und nicht den Vorgänger nachahmte, also durchaus sympathisch. Sein Bemühen war es auch, Inhalte zu vermitteln, wenn das auch so geschah, dass seine tiefgründigen theologischen Aussagen die Jugendlichen nicht unbedingt berührt haben. Kardinal Lehmann, der Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, konnte manchmal ein skeptisches Gesicht zu den Ereignissen nicht verbergen. Er war es dann, der einige nachdenkliche Sätze in die Öffentlichkeit brachte, die distanzierte Beobachter zum Teil versöhnen konnten. Der „Feldherrnhügel“, dafür sorgen schon die Grünen, wird wieder zurückgebaut, oder doch nicht? Man könnte ihn ja stehen lassen als Denk–Mal des Ereignisses.

Die Vorbereitung für Sydney hat begonnen. Auf ein Neues!

Zuletzt geändert am 17­.07.2006