26. Mai 2006 - Südwestpresse

ZUR PERSON: Sozialbischof der Katholiken

Reinhard Marx ist Gastgeber des Katholikentages und profilierter Bischof. Der 52-Jährige kritisiert Auswüchse des Kapitalismus und verlangt in der Kirche Disziplin.

Trier verbindet. Und der Nachname und das starke Interesse an Sozial- und Wirtschaftspolitik. Mit vielem, was Karl Marx über die Gefahren des ungezügelten Kapitalismus geschrieben hat, habe der berühmteste Sohn der Stadt recht gehabt, sagt Reinhard Marx, seit 2002 Bischof von Trier und zuvor Professor für christliche Gesellschaftslehre. Zur Freiheit des Marktes gehört für den 52-Jährigen, der während seines Studiums auch sehr viel Karl Marx gelesen hat, unbedingt die soziale Gerechtigkeit. Damit ist der heutige Marx bei seinem Thema. Mit Sozialfragen hat er sich profiliert, war Mitautor des gemeinsamen Wortes der evangelischen und katholischen Kirche zur sozialen Lage in Deutschland, und seit September 2004 ist er als Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen so etwas wie der Fachmann für Sozialpolitik in der Bischofskonferenz. Das Leitwort des Katholikentages in Saarbrücken, bei dem der Bischof von Trier Gastgeber ist, scheint wie auf Marx zugeschnitten. Gerechtigkeit hat für ihn mit Freiheit zu tun, und das bedeute, dass der Mensch auf eigenen Füßen stehen kann. Gerechtigkeit dient ihm als Lebensprinzip, das dazu antreibt, wie er gestern auf einem Forum in Saarbrücken sagt, als Kirche "mitten in die Wunden dieser Welt hineinzugehen" - Krankheit, Arbeitslosigkeit, Unterdrückung, seelische und leibliche Not, Verzweiflung und Angst. Im Gegensatz zum sozialen Engagement steht eine innerkirchliche Praxis, in der der Oberhirte von 1,58 Millionen Katholiken in Fragen der Liturgie und theologischen Kernpositionen keine Kompromisse kennt. Wer abweicht wie der Saarbrücker Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl, der am Rand des ökumenischen Kirchentages 2003 in Berlin mit evangelischen Christen die Kommunionsgemeinschaft praktizierte, wird vom Priesteramt suspendiert. Doch vielleicht macht es ja gerade diese Mischung, dass ihm schon der nächste Sprung vorhergesagt wird: Marx ist als Nachfolger im Gespräch, wenn im mächtigsten deutschen Erzbistum Köln Joachim Meisner (72) in Ruhestand geht.

ANDREAS HACKER

Zuletzt geändert am 29­.05.2006