14.10.2009 - Stuttgarter Zeitung

In Karlsruhe soll die Friedenspfeife geraucht werden

Von Michael Trauthig

Deutlicher kann ein Mann Gottes, der sonst Versöhnung und Liebe predigt, kaum ausdrücken, dass ein Kollege Mist produziert hat. "Beschämend" sei, was ein Abteilungsleiter im Amt der Evangelischen Kirchen in Deutschland (EKD) niedergeschrieben habe, sagt der badische Landesbischof Ulrich Fischer. Das Papier habe nie verfasst werden dürfen. Nicht nur der protestantische Theologe ist über das Dokument empört, auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz ist vergrätzt. Sie hat das für diese Woche geplante turnusgemäße Treffen des Kontaktgesprächskreises mit der EKD abgeblasen.

Ihr Ökumene-Beauftragter, der Regensburger Bischof Gerhard-Ludwig Müller, setzt sogar noch eins drauf. Der Dialog sei gestört. Die EKD müsse sich offiziell erklären, meint er. Die Aufregung ist einerseits verständlich, andererseits auch ein wenig künstlich. Denn das Schreiben, um das es geht, war schon von der EKD beerdigt worden. Es handelt sich um die Vorlage für eine Sitzung der Kirchenkonferenz von Anfang Juli. Die ist tatsächlich alles andere als freundlich zu den ökumenischen Partnern. Die Lage der katholischen Kirche habe sich verfinstert und sei spätestens seit dem Amtsantritt von Papst Benedikt XVI. von Unsicherheiten geprägt, heißt es dort.

Der Autor - Thies Gundlach, der manchen als dritter Mann der EKD gilt - fragt, ob Benedikt einen rückwärtsgewandten Kurs steuere und das Zweite Vatikanische Konzil revidieren wolle. Er erinnert an die Aufwertung der alten Messe, sieht durch die Rehabilitierung der traditionalistischen Piusbrüder einen großen Schaden angerichtet und spekuliert über die "Inkompetenz der Vatikanführung". Daneben kommt aber auch der Deutsche Episkopat nicht gut weg. Richtungsstreitigkeiten gebe es wohl, und Erzbischof Robert Zollitsch sei ein schwacher Vorsitzender der Bischofskonferenz, von dem keine orientierende Kraft ausgehe. Im Gegenzug schreibt der Oberkirchenrat Gundlach der EKD die Meinungsführerschaft zu. Sein Papier, dessen Analyse manche Bischöfe teilen mögen, löste in der Kirchenkonferenz vor allem wegen seines Zungenschlags Kopfschütteln aus. Es wanderte in die Ablage, womit die Sache eigentlich abgehakt wäre.

Dass es anders kommt, liegt an Indiskretionen, über deren Ursache nun munter spekuliert wird. Gundlach zählt zu denen, die den umstrittenen Reformprozess in der EKD vorantreiben. Wollte ein Büchsenspanner, der das Papier an die Öffentlichkeit lanciert hat, ihm schaden und so die Neuerungen bremsen? Oder soll mit der Aufregung gar die Wahl des neuen EKD-Ratsvorsitzenden in zwei Wochen gelenkt werden? Momentan ist Margot Käßmann eine Favoritin. Die Hannoveraner Bischöfin ist aber nicht nur eine Frau, sondern auch noch geschieden, was den ökumenischen Dialog an der Kirchenspitze zumindest nicht erleichtern würde. "Ich habe die abenteuerlichsten Erklärungen für die Peinlichkeit gehört", sagt ein Kirchensprecher. "Da maße ich mir kein Urteil an."

Die katholischen Kirchenreformer mahnen ohnehin zur Gelassenheit. "Das ist ein Problem der Funktionäre", sagt Christian Weisner von "Wir sind Kirche". "Die Basis ist im ökumenischen Dialog schon viel weiter." Auch die EKD-Kirchenspitze will die Sache rasch aus der Welt schaffen. Deshalb treffen sich führende Vertreter beider Seiten heute in Karlsruhe. Die EKD schickt unter anderem den Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber und Ulrich Fischer. Von katholischer Seite sind auch Robert Zollitsch und Kardinal Karl Lehmann mit dabei. Kaum jemand zweifelt, dass es im badischen Oberkirchenrat zur Versöhnung kommt. Schließlich pflegen Zollitsch und Fischer im Alltag eine enge Kooperation.

Zuletzt geändert am 14­.10.2009