22.5.2009 - Publik-Forum

Auf zu neuen Ufern?

Ärger über die Bischöfe und Ratlosigkeit im Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Ist das Gremium noch zeitgemäß?

Von Hartmut Meesmann

Wie es jetzt weitergeht? »Ich habe keine Ahnung«, »Da fragen Sie mich was«, »Ich bin ratlos«. Solche und ähnliche Antworten erhielt, wer Delegierte des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) während der Vollversammlung kürzlich in Berlin fragte, wie es nach der Ablehnung des ZdK-Präsidentschaftskandidaten Heinz-Wilhelm Brockmann durch den Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz (Publik-Forum 9/2009) weitergehen wird. Es herrscht allgemeine Ratlosigkeit. Und gehöriger Ärger.

Protest
Die Kirchenvolksbewegung Wir sind Kirche hat alle Katholikinnen und Katholiken in Deutschland dazu aufgerufen, mit Briefen, Faxen und E-Mails bei den Bischöfen gegen die Schwächung des Laienkatholizismus zu protestieren. Die Adressen aller Bischöfe sind zu finden unter: www.wir-sind-kirche.de

Ohne Gegenstimmen bei nur wenigen Enthaltungen hatte die Vollversammlung gleich zu Beginn in einer Resolution ihrer »Bestürzung und ihrem Unverständnis« über das beispiellose Vorgehen der Bischöfe Ausdruck verliehen und die Ablehnung Brockmanns als »verletzend« bezeichnet. »Das ist keine Krise des Zentralkomitees, für den Affront sind allein die Bischöfe verantwortlich«, rief der SPD-Politiker Wolfgang Thierse und erntete breite Zustimmung unter den knapp 200 Delegierten im Saal der Berliner Katholischen Akademie. Die meisten von ihnen finden es unerträglich, dass eine Minderheit unter den Bischöfen in einer geheimen Abstimmung und ohne Angabe von Gründen den designierten Kandidaten des ZdK für das Präsidentenamt ablehnen und damit der Mehrheit der Bischöfe auf der Nase herumtanzen kann – und das nur, weil laut Statut der Bischofskonferenz alle Personalentscheidungen in katholischen Institutionen mit einer Zweidrittelmehrheit unter den Bischöfen bestätigt werden müssen.

»Die Entscheidung der Bischöfe trifft jeden von uns«, klagte ZdK-Präsident Hans Joachim Meyer. »Das geht an unsere Selbstachtung«, befand Vizepräsident Christoph Brass. »Die Bischöfe sind feige«, erregte sich die grüne Politikerin Christa Nickels. Ein älterer Delegierter aus Bamberg sprach gar von einer Kriegserklärung der Bischöfe an das ZdK und einer »Scharia auf Katholisch«, eine Äußerung, die Empörung auslöste und dem Redner eine scharfe Rüge des Präsidiums einbrachte.

Eine klare Mehrheit der Delegierten folgte dem Wunsch des ZdK-Präsidiums, die geplanten Neuwahlen des Leitungsgremiums und der Arbeitskreis-Sprecher erst einmal auf den Herbst zu verschieben und keinen Konfrontationskurs mit den Bischöfen einzuschlagen. Vielmehr sollen jetzt Gespräche mit der Bischofskonferenz geführt werden, um das gegenseitige Vertrauen wieder herzustellen. Doch mit welchen Oberhirten wird gesprochen? Klartext geredet werden müsste ja wohl vor allem mit Oberhirten wie Joachim Meisner, Gerhard Müller oder Walter Mixa, denen die ganze Richtung nicht passt und die das ZdK am liebsten abgeschafft sähen – weil es ihnen zu kritisch und zu selbstständig auftritt. Das Nein des ZdK zur Judenmission (Publik-Forum 8/2009) – verstanden als Diskussionsbeitrag – ist allerdings auch anderen Bischöfen theologisch schwer aufgestoßen.

Ein Problem ist, dass sich die anderen Bischöfe die Querschüsse der konservativen Hardliner bieten lassen – wie etwa der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst oder der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch. Achselzuckend erklären sie, dass man das Abstimmungsergebnis nun einmal hinzunehmen habe und jetzt bitte schön auf Laienseite nicht resignieren möge. Die Bischöfe hätten halt demokratisch abgestimmt. Dem Zentralkomitee aber gesteht man nicht zu, seinen Präsidenten oder seine Präsidentin frei zu wählen.

Das oberste katholische Laiengremium, in dem Abgesandte der Diözesanräte, der Verbände und ernannte Einzelpersönlichkeiten sitzen, findet sich zwischen allen Stühlen wieder. Von »rechts« wie »links« wird seine Notwendigkeit und Repräsentativität bestritten. Warum sich nicht einfach von den Bischöfen lösen und auf die Zweidrittelklausel pfeifen? Doch für eine solche Position gibt es im ZdK keine Mehrheit. Denn in einem solchen Fall wäre das Gremium nicht mehr offiziell »katholisch«, würden die bischöflichen Zuwendungen in Höhe von fast zwei Millionen Euro jährlich eingestellt. Nein, eine breite Mehrheit will innerhalb der kirchenamtlichen Strukturen bleiben und weiterhin versuchen, Einfluss auszuüben – Ärger eingeschlossen.

Insofern ist kaum vorstellbar, dass der CDU-Politiker Heinz-Wilhelm Brockmann, Staatssekretär im hessischen Kultusministerium, eine erneute Chance bekommen wird – ausgenommen die Kritiker unter den Bischöfen änderten nach den »vertrauensvollen Gesprächen« ihre Meinung, was kaum anzunehmen ist. Brockmann jedenfalls erklärte während der Vollversammlung unter großem Beifall, dass er nicht unbedingt ZdK-Präsident werden müsse, sich aber auch nicht einfach aus dem Staub machen werde, »wenn Sie es nicht wollen«. Im Zentralkomitee selbst sind interne Konflikte nicht zu übersehen. Da sind die »Politiker«, die die Aufgabe des Gremiums vor allem darin sehen, selbstbewusst zu brennenden gesellschaftspolitischen Problemen aus katholischer Perspektive Stellung zu beziehen und sich weniger mit sich selbst und kirchlich-theologischen Dingen zu beschäftigen. Zu ihnen zählt zum Beispiel der CSU-Politiker Alois Glück, dem einige Delegierte jetzt durchaus Chancen für die Präsidentschaft einräumen – wenn er es denn machen will.

Und da sind die anderen, die sich – wie Brockmann – Sorgen um die Zukunft ihrer Kirche machen, die die Gemeindezusammenlegungen in den Bistümern kritisch sehen und auch kirchenpolitisch Einfluss nehmen möchten. Etwa mit Überlegungen zu einer »Pastoral der Weite«, über die in Berlin diskutiert wurde. Darin wird unter anderem »der selbstlose Dienst der Kirche an der suchenden und pluralen Gesellschaft« gefordert und die Schaffung immer größerer Seelsorgeeinheiten kritisiert.

Nach außen wird zwar stets betont, dass im ZdK beide Stoßrichtungen notwendig seien, die gesellschaftspolitische genauso wie die kirchenpolitische. Doch bei der Suche nach einem geeigneten Präsidenten prallen die beiden »Fraktionen« dann eben doch aufeinander. Brockmann ist manchen Politikern, wie etwa Hermann Kues, CDUStaatssekretär im Bundesfamilienministerium, einfach zu »kirchlich«. Kues büßte in Berlin viele Sympathien ein, als er gegen Brockmann Stellung bezog und erklärte, es ergebe für ihn keinen Sinn, »mit demselben Kopf ein zweites Mal gegen dieselbe Wand zu rennen«. »Damit ist der als möglicher Kandidat weg«, zischte eine Delegierte empört. Aber Kues hat inzwischen von sich aus auf eine Kandidatur verzichtet.

Ein Problem scheint auch darin zu liegen, dass die machtbewussten Damen und Herren Politiker den ZdKPräsidenten am liebsten in ihren Hinterzimmern auskungeln würden, die Vollversammlung aber ein Wörtchen mitreden möchte. »Warum nicht mehrere Kandidaten aufstellen, das wäre doch wirkliche Demokratie«, fragte der Kapuzinerpater Paulus Terwitte – eine Wortmeldung, die zeigt, wie sehr katholisches Einheitsdenken noch immer in vielen Köpfen sitzt – trotz der inzwischen recht großen inneren Pluralität des Zentralkomitees.

Doch auf die Tagesordnung des Zentralkomitees ist noch ein anderes, durchaus brisantes Thema gerückt: die Frage nämlich, ob man denn überhaupt noch zeitgemäß sei. Der Freiburger Religionssoziologe Michael Ebertz forderte eine Abkehr vom »Verlautbarungskatholizismus im Stil der 1950er-Jahre«, das ZdK dürfe keine »Papierproduktionsfirma« sein. Die Gesellschaft habe sich verändert, das geschlossene katholische Milieu gebe es nicht mehr: »Wer liest überhaupt noch unsere Stellungnahmen? Und wer versteht sie denn noch?«

So wird das ZdK nun auch die eigenen Strukturen unter dem Gesichtspunkt überprüfen, ob man mit der modernen Gesellschaft überhaupt noch richtig kommuniziert. »Wäre es jetzt nicht an der Zeit, eine Zukunftswerkstatt zu eröffnen, in der wir alle diese Fragen einmal gründlich diskutieren?«, fragte Christa Nickels. – Das ZdK auf dem Weg zu neuen Ufern? Vielleicht.

Aus: Publik-Forum, Zeitung kritischer Christen, Oberursel, Ausgabe 10/2009

Zuletzt geändert am 25­.05.2009