27.1.2008 - Süddeutsche Zeitung (Landkreisausgaben)

Nachgefragt: Empfehlen Sie Kirchenaustritte?

Papst Benedikt XVI. holt vier Bischöfe in die Kirche zurück, die 1988 exkommuniziert worden waren. Einer davon leugnet seit Jahren den Holocaust. Die Dachauer SZ sprach mit Christian Weisner, Bundessprecher der Plattform „Wir sind Kirche”, der in Dachau wohnt.

SZ: Der Papst holt unter anderem einen Holocaustleugner zurück in die Kirche. Eine Überraschung für Sie?

Christian Weisner: Leider nein. Und so schlimm es auch ist, dass unter diesen vier Bischöfen ein Rechtsradikaler ist, für uns ist das nicht der entscheidende Punkt. Diese vier Bischöfe haben zur Kirchenspaltung beigetragen und werden jetzt „in Barmherzigkeit” zurückgeholt, ohne dass sie irgendein Zeichen von Reue gezeigt haben.

SZ: Was bedeutet diese Entscheidung für die Kirche?

Weisner: Der Papst bemüht sich, die Einheit der Kirche herzustellen, aber so ist das der falsche Weg. Diese Bischöfe lehnen das Zweite Vatikanische Konzil ab, und dabei geht es längst nicht nur um die Sprache in der Messe. Es ist eine völlig andere Art, den Gottesdienst zu feiern – ohne Gemeinschaft von Priester und Gläubigen.

SZ: Wie beurteilen Sie die bisherige Amtszeit des Papstes?

Weisner: Joseph Ratzinger war schon immer wenig dialogfähig. Und nach dem bisherigen Kurs von Benedikt XVI. ist diese aktuelle Entscheidung nur konsequent. Noch bedenklicher finde ich, dass er im letzten Jahr so stark die Nähe zum amerikanischen Präsidenten George Bush gesucht hat. Fragen wie Sexualmoral oder Abtreibung scheinen ihm wichtiger als Themen wie Krieg oder Todesstrafe, wo die Kirche zur abgewählten Regierung Bush völlig konträre Positionen vertritt. Die Amerikaner haben Barack Obama gewählt, weil sie die Politik von Bush leid waren. In der Kirche können wir leider nicht wählen.

SZ: Was raten Sie den Gläubigen, die mit diesem Kurs nicht einverstanden sind?

Weisner: Das Zweite Vatikanische Konzil ist nach wie vor gültig und die Traditionalisten sind nur ein sehr kleiner Teil der Kirche. Gerade hier im Landkreis Dachau erlebe ich eine große Aufgeschlossenheit bei den Seelsorgern und den allermeisten Priestern. Das sollten die Gläubigen auch dem Papst und dem Erzbischof schreiben, damit die wissen, was das Kirchenvolk denkt. Die Kirche muss aufpassen, dass es ihr nicht genauso geht wie der CSU.

SZ: Würden Sie auch zu einem Austritt raten?

Weisner: Nein. Ich kann zwar verstehen, wenn das jemand macht. Aber mir ist die katholische Kirche zu wichtig. Besser ist es, die Kräfte des Konzils innerhalb der Kirche zu stärken.

Interview: Wolfgang Luef

Zuletzt geändert am 27­.01.2009