23.12.2007 - Christ in der Gegenwart 51/2007

Mehr Demokratie wagen - in der Kirche

Um Demokratie zu verhindern, führt man Kriege. Und um sie anderen einzubleuen auch. Was ist das für eine seltsame Sache, die viele Menschen so fasziniert, daß sie dafür sogar ihr Leben geben, und manche Herr­schenden so fürchten läßt, daß sie dafür Leben rauben? Und was bedeutet das alles für Christen, die manchmal geradezu in zwei getrennten Welten leben - in einer de­mokratischen der Republik und in einer monarchi­schen der Kirche!

Zu Beginn unseres immer noch jungen dritten Jahr­tausends - und zumal für Katholiken - ist das schwierige Thema des Verhältnisses von Demokratie und Kirche immer noch nicht erledigt. Dies um so weniger, als es modernen Menschen immer schwerer fällt, bewußtseins­gespalten zwei verschiedene Loyalitäten zu bekunden und im religiösen Leben so zu tun, als habe es mit dem übrigen weltlichen Leben nichts zu tun. Personen, die in Beruf und Öffentlichkeit, in Familie und Freizeit bewährt sind und geistig überall auf der Höhe der Zeit stehen, wollen sich als Kinder Gottes keineswegs wie Kinder der Einfalt behandeln lassen. Nur: Demokratie und - katho­lische - Kirche: Geht das überhaupt zusammen?

Der kanadische Theologe, Religionswissenschaftler und Soziologe Gregory Baum hat dieses ungemütliche Thema wieder einmal - in der Zeitschrift "Concilum" (4/2007) - aufgegriffen. Denn es schmerzt nicht wenige Gläubige wie eine offene Wunde weiterhin, obwohl sich in einem natürlichen Biorhythmus nach Phasen der Erre­gung immer wieder Müdigkeit einschleicht. So kann und muß man wohl ernüchternd sagen: Die Forderungen nach Belebung eines demokratisch-synodalen Prinzips bringen momentan nur noch die allerwenigsten Gemüter in Wallung. Das Kirchenvolksbegehren, das vor einigen Jahren noch engagierte Gemeindemitglieder in Deutsch­land und Österreich in Atem hielt, ist so gut wie tot. Die Bewegung "Wir sind Kirche" bewegt sich kaum noch, zuckt allenfalls noch ein wenig. Das alles hat teil an einem allgemeinen gesellschaftlichen Zug der Entpolitisierung, ja der politischen Erschlaffung. Der heftige Lokführer­streik fiel in dieser Hinsicht zuletzt eher aus dem Rahmen und hat die Leute mehr verwundert als erregt. Je größer die Koalitionen werden, um so mehr stellt sich ein Be­dürfnis nach Harmonie und Ruhe ein. "Wir sind die Mitte!" ließ nicht nur die CDU bei ihrem letzten Parteitag verlauten. Alle wollen das sein, egal ob alte oder neue Mitte. Nur nicht zuviel Kontroverse! In der Politik nicht und auch in der Kirche nicht.

Soll man da an Kontroverses erinnern? Gregory Baum jedenfalls versucht es. Und er hofft, daß ein kritischer Blick auf Vergangenheit und Gegenwart der Zukunft auf die Sprünge hilft, hier der Zukunft der (ka­tholischen) Kirche. Baum stellt nüchtern fest, daß zu Beginn der demokratischen Bewegungen sich das kirchliche Lehramt diesen vehement verschlossen hat - und lange anhaltend. Fakten sind Fakten. Da läßt sich auch nachträglich nichts schönreden. Aber zu den Fak­ten gehören ebenfalls die Winkelzüge und Paradoxien der Geschichte, auch der Kirchengeschichte. Manchmal lernt eben doch auch die Lehre aus Irrtümern. Und gar nicht so selten helfen kirchliche Verbote auf kuriose Weise besserer Erkenntnis auf die Sprünge.

Von Irrtum zu Irrtum zu Wahrheit

So war es bei dem französischen Philosophen Jacques Maritain (1882 - 1973), dem eine kirchliche Intervention die Augen öffnete. Nachdem das päpstliche Lehramt im 19. Jahrhundert mit hoher, quasi-unfehlbarer Autorität "wiederholt den liberalen Staat, die Volkssouveränität, die bürgerlichen Freiheiten, die Trennung von Kirche und Staat und die Religionsfreiheit verurteilt" hatte, be­grüßte auch Maritain, der 1906 katholisch wurde, diese Abwehr alles Demokratischen. Er schloß sich im Geist dieses Traditionalismus einer radikal-konservativen, monarchistischen politischen Bewegung an, der L'Action franc,aise. Als aber Papst Pius XI. diese Gruppierung ver­urteilte, begann Maritain, seine politischen Vorlieben in Frage zu stellen. Er entwickelte daraufhin geradezu in Umkehrung dessen, was er gedacht hatte, eine "katholi­sche Theorie ..., die für Demokratie, Menschenrechte und religiösen Pluralismus eintrat", allerdings anfangs keineswegs zur Freude des kirchlichen Lehramts.

Doch auch das Lehramt änderte sich im Wandel der Zeiten. Ein entscheidender Bewußtseinssprung kam mit Papst Johannes XXIII. Baum sieht hier eine Art Wende im religiösen Verständnis der Menschenwürde jeder ein­zelnen Person. Während man bisher in neuscholastischer Tradition die Personwürde gemäß der Unterscheidung zwischen natürlicher und übernatürlicher Ordnung al­lein aus der natürlichen Verfaßtheit, von der Vernunft her, abgeleitet habe, sei beim damaligen Papst ein neuer Gesichtspunkt hinzugekommen. Die Würde des Men­schen gründet auch in einer göttlichen Würde, aufgrund der Erschaffung nach dem Abbild Gottes. Das veränderte die gesamte kirchliche Soziallehre mit einem Mal, radi­kal. Sie wurde plötzlich stärker in den Horizont einer göttlichen Berufung und eines göttlichen Auftrags zur Weltgestaltung gerückt.

Wo angeblich nur Monarchie Gott gefällt

Damit wurde auch die Demokratie als Garant menschlicher Würde mit einem Mal über eine bloß diesseitig-natürliche Nützlichkeit hinaus erhoben. Das Demokratische erhielt eine transzendente Sinnhaftig-keit, eine sakrale Dimension. Das war ein Bruch mit vor­herigen Auffassungen, die allein die Monarchie als Gott angemessen ansahen. Der Religionswissenschaftler mar­kiert diesen atemberaubenden historischen Umbruch, der eine ganze religiöse Geisteslandschaft ins Wanken brachte, so: "Von Plato hat die katholische Kirche die aristokratische Vorstellung übernommen, daß die herr­schende gesellschaftliche Autorität von weisen Männern ausgeübt werden muß - den wenigen, denen es gelingt, die Unwissenheit der Mehrheit zu überwinden. In An­lehnung an dieses feudalistische Erbe unterschied die katholische Lehre zwischen den ,Maiores' (dem Adel) und den ,Minores' (dem Volk), wobei die Erstgenannten die Autorität hatten zu herrschen und die Letztgenann­ten die Pflicht zu gehorchen." Daher wurde der Gedanke einer Volkssouveränität, von Mitverantwortung und Mitbestimmung radikal auch kirchlich zurückgewiesen.

Aber eben nur bis zu dem gewaltigen Paradigmenwech­sel im Umfeld des letzten Konzils: "In der Vergangenheit hatte die Nachfolge Jesu oder das Streben nach Heilig­keit nichts mit den Belangen des Gemeinwohls und der Solidarität mit den Opfern der Gesellschaft zu tun. Das hat sich inzwischen verändert ... Heute ... erkennt die Kirche den göttlichen Ursprung der menschlichen Würde an und betrachtet daher die fortdauernden Bemühungen unreine demokratische Gesellschaftsord­nung als Gott wohlgefällig." Die Förderung der Men­schenrechte, der demokratischen Mitbestimmung, der Religionsfreiheit gehört ganz selbstverständlich mitten hinein in den Evangelisierungsauftrag.

Allerdings rnit einem Schönheitsfehler: Was die katholische Kirche über ihre Soziallehre nach außen predigt und unbeirrt von den Gesellschaften wie Regie­renden einfordert, wendet sie auf sich selber nicht oder allenfalls nur partiell in Segmenten an, zum Beispiel gleichberechtigte Teilhabe aller an wichtigen Entschei­dungen, Mitbestimmung, Anhörung, umfassende Dia­loge, freie Wahlen in geistliche Leitungsämter, unbe­dingte Kollegialität auf allen Ebenen ...

Das Konzil wollte den Wandel

Zwar sieht Baum im Zweiten Vatikanischen Konzil einen ersten starken Versuch, das bedeutende Subsi-diaritätsprinzip der katholischen Soziallehre auch nach innen anzuerkennen. Das heißt: daß auf einer unteren Ebene "autonom" geregelt werden soll, was dort gere­gelt werden kann. Insgesamt aber sei die traditionelle Auffassung einer heiligen Herrschaft - Hierarchie - von oben her nicht angetastet worden. Das Konzil habe le­diglich versucht, "die Ausübung von Autorität um die Elemente des Austauschs und des Dialogs zu berei­chern. Es hat sich nicht für eine parlamentarische De­mokratie der Kirche ausgesprochen, wie man sie in der anglikanischen und auch in verschiedenen protestanti­schen Kirchen findet. Doch das Zweite Vatikanische Konzil wollte das Bild von der Kirche als einer monar­chischen Institution mit einer unstrittigen zentralen Entscheidungsgewalt, die auch auf allen untergeordne­ten Ebenen eingreift, verändern".

Das sei allenfalls in Ansätzen gelungen und in den letzten Jahrzehnten wieder zurückgedrängt worden. Als Beispiel nennt Gregory Baum die Einschränkung der - auch theologischen - Autorität der Bischofskon­ferenzen durch den Vatikan. Jene Gremien gelten al­lenfalls noch als eine Art Verwaltungsstelle zur Ab­stimmung seelsorglicher Maßnahmen oder zur Übermittlung von Weisungen aus Rom. Eigentliche Lehrvollmacht, womöglich gar eine kollektive Lei­tungskompetenz in der Nachfolge des Apostelkollegi­ums wird ihnen aberkannt. Auch die zahlreichen loka­len oder regionalen Synoden mit Laienbeteiligung hätten faktisch keine Wirkung gehabt. "Die Synoden wurden abgehalten; die Katholiken beteiligten sich mit großem Enthusiasmus; und man erstellte umfangrei­che Berichte über die dort erarbeiteten Vorschläge. Doch die Bischöfe, die diese Versammlungen organi­siert hatten, hörten nicht auf sie. Im Gehorsam ge­genüber Rom kehrten sie den Menschen den Rücken zu. Und daraufhin kehrten die Menschen vielerorts der Amtskirche den Rücken zu." Man kann ergänzen: Die - wie sich in der aktuellen religiösen Krise der Pfarreien herausstellt - einst zukunftsweisenden Be­schlüsse der Würzburger Synode der westdeutschen Bistümer wurden in Rom faktisch unbeantwortet ver­staut und verstauben weiterhin in Archiven.

Starkes Lehramt, starkes Volk

Gregory Baums Bild mag da und dort ein bißchen zu einseitig, zu pessimistisch gezeichnet sein. Auch kann man darauf hinweisen, daß die religiöse Lage in den er­wähnten protestantischen Kirchen, die all jene geforder­ten demokratischen Ideale zu erheblichen Teilen ver­wirklicht haben, um keinen Deut besser aussieht - eher noch viel schlechter. Im übrigen geht es in der säkularen Gesellschaft in vielen Institutionen keineswegs so viel demokratischer zu, gar nicht selten sogar erheblich zen-tralistischer und autoritärer als im Kirchenleben, wenn man allein an Unternehmensführungen denkt. Sogar in den demokratischen Parteien wird von der Basis dar­über geklagt, daß es an innerparteilicher Transparenz und Dialogfähigkeit mangele und daß sich daher im Volk Parteien- und Politikverdrossenheit ausbreite.

Andererseits ist nicht zu übergehen, daß die Men­schen - und darunter auch die gläubigen und engagierten Katholiken - in demokratischen Gesellschaften eben in einem ganz anderen, modernen Bewußtsein le­ben. Die Kontrolle der Autorität und der Ämter sowie Amtsinhaber durch verschiedene Gremien gehört - wie unvollkommen sie auch sein mag - selbstverständlich dazu. In Betrieben gilt die Mitbestimmung. Konzern­vorstände müssen kollegial und kollektiv arbeiten. Sie werden beobachtet von Aufsichtsräten und Aktionären. Letztere fordern über Ankauf und Verkauf ihrer Anteile und ganz besonders über die großen Versammlungen -vor allem über die institutioneilen Anleger - Rechen­schaft. In anderen Unternehmen gibt es Verwaltungs­räte. Bei allen Schwächen weltlicher Gewaltenteilung kann die Kirche ihre Versäumnisse nicht mehr entschuldigen damit, daß auch in Wirtschaft, Parteien sowie weiteren bedeutenden gesellschaftlichen und kul­turellen Institutionen Demokratie nicht perfekt läuft. Glaube lebt auch aus Gefühlen, vor allem aus dem Ge­fühl, als denkende Person ernstgenommen, beachtet, anerkannt zu sein.

Wir reden viel von Inkulturation - und meinen da­mit die in Afrika, Asien, Lateinamerika. Wie aber inkulturiert sich der Glaube bei uns - in die Kultur des Demokratischen? Der schwere Mangel ist nicht nur ein Ärgernis für viele Gläubige. Er produziert ein schlechtes Image, Vorurteil auf Vorurteil zum Schaden der Kirche und der Glaubwürdigkeit auch ihres Glaubens, nicht nur der Struktur. In einer Mediengesellschaft mit manch latenter Kirchenfeindlichkeit ist die verheerende Außenwahrnehmung nicht zu unterschätzen.

Gewiß kann nicht unendlich dialogisiert werden. Ir­gendwann braucht es in der Welt wie in der Kirchenwelt Entschlußkraft und Entscheidungen. Und es braucht bei aller Teilhabe und Mitbestimmung selbstverständ­lich geistige und geistliche Führung, Anleitung, Weg­weisung, ähnlich der Richtlinienkompetenz einer Bun­deskanzlerin. Dem dient ein starkes Lehramt. Wir wollen solch ein starkes und nicht ein schwaches Lehr­amt, ein apostolisches Lehramt, auch das päpstliche. Aber wir benötigen es in wahrhaft kollegialer Abstim­mung. Es ist ja wahr: Das Volk weiß manch schwierige Dinge nicht automatisch einfach nur deshalb besser, weil es das Volk ist. Auch Mehrheiten können irren, manchmal brutalst. Aber das gilt genauso fürs Lehramt. Eine lehramtlich geäußerte Auffassung ist nicht allein schon deshalb schlüssig, weil sie als schlüssig behauptet oder in einem Dekret verbindlich vorgelegt wird. Auch in Glaubensdingen braucht es viel mehr und wieder­holte, ja ständige konziliare Prüfung und Selbstprüfung - natürlich mit Entscheidung. Dazu sind ja schon früh die Konzilien erfunden und weiterentwickelt worden, lange bevor es eine weltliche Demokratie gab. Kann also die Kirche, die jetzt wieder von der Welt zu lernen hätte, hier sogar von sich selber lernen?

Feminisierung der Kultur

Gewiß ist eine Schwierigkeit die gegenwärtige See­lenlage: Die Menschen sind einer ewigen Politisierung aller Bereiche überdrüssig. Außerdem ist Demokratie mit ständigem Streit und aufreibendem Kampf verbun­den, mit gar nicht so selten heftig revoltierender Argu­mentation. Nicht in allen Phasen mögen das die Leute in gleicherweise. Manchmal sehnen wir uns eben mehr nach Harmonie und Besänftigung.

Vielleicht ist die aktuell zu beobachtende Entpoli­tisierung der Gesellschaft auch eine Nebenfolge der Frauen-Emanzipation, jedenfalls der Tatsache, daß diese die "weichen Themen" in den Vordergrund spülte und die härteren Themen in den Hintergrund rückte. Man kann es an der Familiengerechtigkeits-Debatte beobachten, die eigentlich harte strukturelle Re­formen in der Finanzpolitik verlangte und daher ins Zentrum des (weiterhin männlichen!) Finanzministers gehörte. Aber sie ist abgedrängt in eine unendliche Vielzahl von - gewiß nicht unwichtigen - "Unterthe­men" bei der (wieder weiblichen!) Familienministerin, die sich dazu mediengerecht Tag für Tag auf allen Kanälen darstellen kann. Die substantiellen Probleme zum Beispiel eines wahren Lastenausgleichs für alle Fa­milien - und nicht nur kosmetische Verbesserungen für jene mit Säuglingen und Kleinkindern - sind um­fassend fmanz- wie rechtspolitisch gemäß den Weisun­gen des Bundesverfassungsgerichts bisher nicht in An­griff genommen. Faktisch ist ja heute kein Durchschnitts-Alleinverdiener mehr in der Lage, seine Familie mit mehreren Kindern - wenn diese größer werden - zu ernähren, falls man nichts geerbt hat und kein Wohneigentum besitzt. Ebenso werden die harten strukturellen Themen fehlgeleiteter Vermögensvertei­lung über Generationen hinweg, eines womöglich sich anbahnenden Kultur- und Klassenkampfes gegen die Staats- und gesellschaftstragende Familien-Mittel­schicht oder des Lohndumpings, der Seuche der Zeit­verträge, die jungen Leuten jede soziale Zukunftspla­nung rauben, nicht angemessen öffentlich-politisch diskutiert.

Und: Wo sind die starken Frauen in starken Gewerkschaften als Mitglieder und als Verantwor­tungsträgerinnen? Wo sind die gewerkschaftlich enga­gierten Frauen in vielen Betrieben? Wo sind die starken Frauen in den mächtigen Chefetagen? Befinden wir uns doch auf dem Weg in eine gewisse Verweiblichung, eine Feminisierung unserer Kultur? Plötzlich jedenfalls sind neue Tugenden der Gemütlichkeit "hip": für Wellness, Glück, Behaglichkeit. Der Verlust des Kämp­ferischen gilt als Gewinn. Das hat Vorteile, aber auch Nachteile.

Bitte mehr Streit!

In ausgeprägter Weise ist die katholische Kirche "feminisiert", im Kirchenvolk. Zwar ziehen längst auch viele selbstbewußte Frauen aus den Pfarrgemeinden aus. Doch der Verlust an Männern und damit an männ­lich geprägter Spiritualität läßt sich nicht übersehen. Sogar die Pfarrgemeinderäte, die einmal als Instrument handfester Mitbestimmung von Männern begehrt wa­ren, sind inzwischen den Frauen überlassen worden. Vielleicht, weil Männer meinen, hier nichts mehr errei­chen zu können? Sind die Männer enttäuscht, haben sie resigniert, trauen sie den Räten nichts Substantielles mehr zu? Sind die Einrichtungen, die einmal die Demo­kratisierung der Kirche beflügeln sollten, lahm gewor­den, degeneriert zu einer pseudodemokratischen Spiel­wiese ohne echte Entscheidungsvollmacht? Können sie nur noch ein Hort unverbindlichen Miteinanderredens und abendlicher geselliger Unterhaltung sein?

Das jedoch waren die großen Konzilien und Syn­oden nie, wo der Streit seit jeher konstitutiv dazu­gehörte, gerade in Kernthemen der Glaubenslehre. Man denke nur an die Lehrentwicklung des Dreifaltigkeits-Dreieinigkeitsverständnisses, zum Teil sogar auf regel­rechten "Räubersynoden". Haben wir das schon ver­gessen? Das alles sind jedenfalls unangenehme Beobachtungen und Fragen, die in den Pfarrgemeinden ebenfalls kritisch diskutiert werden müssen.

Gregory Baum meint zusammenfassend, bezogen natürlich auf die katholische Sicht: "Die innere Organi­sation der Kirche hat eine symbolische Macht: Sie ver­kündet ihre Botschaft an die Gesellschaft und unter­stützt die dazu passenden kulturellen Strömungen. Was die Kirche über Demokratie denkt, äußert sie weniger durch ihre prophetische offizielle Lehre als vielmehr durch ihr eigenes institutionelles Leben. Der man­gelnde Dialog, die Weigerung, die Gläubigen zu Rate zu ziehen, das Fehlen von Institutionen, die zum Ideen­austausch einladen, der Ausschluß der Frauen von ein­flußreichen Positionen, die Gleichgültigkeit gegenüber kollegialer Beteiligung und die Ausübung einer mono-kratischen Autorität - all diese organisatorischen Struk­turen verkünden der Gesellschaft eine Botschaft, die mit dem Respekt vor dem Subjektcharakter aller Bürger und der prophetischen Demokratietheorie der Kirche unvereinbar ist."

Mehr Demokratie wagen in der Kirche? Für die Er­neuerung des Glaubens, für die Zukunftsfähigkeit des Christseins und dessen öffentliche Attraktivität wie Relevanz ist das vielleicht doch nicht so nebensächlich, wie wir manchmal meinen.

rö.

Zuletzt geändert am 28­.12.2007