Liturgie-Instruktion „Redemptionis Sacramentum“

Wir sind Kirche befürchtet zunehmende Klerikalisierung durch neue Liturgie-Instruktion

Pressemitteilung 24. April 2004

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche befürchtet, dass die heute veröffentliche Liturgie-Instruktion „Redemptionis Sacramentum“ (Sakrament der Erlösung) zu einer zunehmenden Klerikalisierung und nicht zu einer Evangelisierung und Vertiefung des Glaubenslebens beitragen wird.

Wir sind Kirche geht davon aus, dass die neue Liturgie-Instruktion im Kirchenvolk genauso wenig Beachtung und Widerhall finden wird wie die Laien-Instruktion vom Herbst 1997. Die neue Instruktion ist ein Zeichen großen Misstrauens sowie einer übertriebenen Regelung und Vergesetzlichung des Glaubenslebens. Nach Ansicht der katholischen Reformbewegung ist sie auch Ausdruck einer weit überzogenen Zentralisierung, die die Inkulturation des christlichen Gottesdienstes in die weltweiten Kulturen eher verhindert als fördert.

Mit der deutlichen Rückwärtsbewegung auf eine vorkonziliare Liturgie hin wird die Zahl der Gottesdienstbesucher noch weiter zurückgehen. Zu befürchten ist, dass die Instruktion die Spaltung zwischen Klerus und Kirchenvolk bei der gemeinsamen Feier der Eucharistie wieder verstärkt. Sie widerspricht damit in gravierender Weise dem Communio-Gedanken des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965).

Die in der Instruktion enthaltene Aufforderung an alle Katholiken und Katholikinnen, Anzeige gegen liturgischen Missbrauch zu erstatten, also zur Denunziation, ist in höchstem Maße unchristlich. Die Betonung des Opfergedankens in der Eucharistiefeier ist theologisch seit langem überholt, denn - wie es insbesondere im Hebräerbrief heißt - das Opfer Christi ist ein für alle Mal geschehen, es muss nicht wiederholt werden. Die Eucharistiefeier ist vielmehr eine Dankes- und Gedächtnisfeier.

Mit der Aktion „Wir feiern Hoffnung“, die die KirchenVolksBewegung in Kürze starten wird, will die Initiative die Gemeinden ermutigen, ihre Gottesdienstpraxis, die sie auf der Basis des Zweiten Vaticanums entwickelt haben, beizubehalten und weiter zu entwickeln. Die Zukunft der Kirche wird auch davon abhängen, ob es gelingt, Gottesdienst so zu feiern, dass der heutige Mensch sich in ihm ausdrücken und wiederfinden kann.


Stellungnahme von Prof. Dr. Norbert Scholl
für Wir sind Kirche zur Instruktiuon "Redemptionis sacramentum", eine Instruktion der römischen Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, approbiert von Papst Johannes Paul II.

Der Titel dieser Instruktion weckt hohe Erwartungen: Redemptionis sacramentum, Sakrament der Erlösung. Auch die Sprache des ersten Absatzes lässt vermuten, dass es sich hier um etwas Großes, Wichtiges und Hochbedeutsames handelt: "Das Sakrament der Erlösung wird von der Mutter Kirche in der heiligsten Eucharistie mit festem Glauben anerkannt, freudig angenommen, gefeiert und anbetende verehrt, Dabei verkündet die Kirche den Tod Jesu Christi und preist seine Auferstehung, bis er kommt in Herrlichkeit, um als Herr und unbesiegbarer Gebieter, als ewiger Priester und König der ganzen Welt das Reich der Wahrheit und des Lebens dem allmächtigen Vater in seiner unendlichen Majestät zu übergeben" (1).

Doch schon im folgenden Absatz ist von einer "Zusammenfassung aller Normen", von "geltenden Regelungen" und von "Bestimmungen" die Rede. Und im vierten Absatz taucht dann erstmals das Wörtchen "Missbrauch" auf, das auf den folgenden Seiten noch 31 Mal wiederholt werden wird (davon 14 Mal im Plural).

Die 41 Seiten lange und mit 290 Fußnoten (meist aus Verlautbarungen Johannes ' Pauls II.) untermauerte Instruktion ist nichts anderes als eine bis ins penibelste Detail gehende Anweisung für den hohen und niederen Klerus, wie er mit der "heiligsten Eucharistie" umzugehen hat. Und vor allem: was verboten, nicht erlaubt, nicht rechtens, nicht angebracht, verwerflich, zu unterbinden sei. Man fragt sich, warum ein derartiges Dokument überhaupt öffentlich zugänglich gemacht wird. Das hätte die Kongregation den Bischöfen schicken und die hätten es an die Pfarrer weiter leiten können. Welchen Laien interessiert schon, aus welchem Material die liturgischen Gewänder oder Gefäße hergestellt sein müssen und dass "die Albe mit einem Zingulum an die Hüften zu binden (ist), es sei denn, sie ist so angefertigt, dass sie auch ohne Zingulum am Körper sitzt" (122)? Oder vielleicht doch? Macht man den "Laien" deshalb all die Details zugänglich, die bei der "Feier des hochheiligen Messopfers" (16) zu beachten sind, damit sie eventuelle Verstöße feststellen und der Kirchenbehörde anzeigen können? Immerhin ruft die Instruktion dazu auf: "Jeder Katholik, ob Priester, Diakon oder christgläubiger Laie, hat das Recht, über einen liturgischen Missbrauch beim Diözesanbischof oder beim zuständigen Ordinarius, der diesem rechtlich gleichgestellt ist, oder beim Apostolischen Stuhl aufgrund des Primats des Papstes Klage einzureichen" (184). Hier wird schlicht und ergreifend zur Denunziation aufgerufen. Schon zuvor werden die Priester ermahnt, "treu darauf zu achten, dass solche Entstellungen (=Missbräuche, N.S.) auch nicht durch andere vorgenommen werden" (31).

Die Instruktion macht es unmissverständlich deutlich: Nicht das gesamte Gottesvolk feiert die Liturgie, sondern nur der geweihte Priester: "Obwohl es angemessen ist, dass er sich zur besseren Vorbereitung der liturgischen Feiern, vor allem der heiligen Messe, von verschiedenen Christgläubigen helfen lässt, darf er ihnen jedoch in keiner Weise jene Vorrechte in der Sache abtreten, die seinem Amt eigen sind" (32). Unverhohlener Klerikalismus zeigt sich auch daran, dass es einem Priester nur gestattet ist, in klerikaler Kleidung an der Eucharistiefeier teilzunehmen, es ist "nicht angebracht, dass sie äußerlich wie gläubige Laien an der Messe teilnehmen" (128). Die Liturgie, wie sie Rom hier verordnet, ist reine Klerusliturgie. Sie ist nicht eine Liturgie des Volkes, sondern eine Liturgie für das Volk, um nicht zu sagen: gegen das Volk.

Man muss jeden Bischof bedauern, der sich jetzt gehalten fühlt, die Einhaltung der Bestimmungen dieses römischen Ukas zu überwachen und sofort einzuschreiten, wenn er auch nur "von der Wahrscheinlichkeit einer Straftat oder eines Missbrauchs bezüglich der Eucharistie erfährt" (178). Die Bischöfe hätten angesichts der pastoralen Notlage wahrlich Wichtigeres und Dringlicheres zu tun. Doch es ist kaum zu erwarten, dass auch nur einer von ihnen den Mut aufbringen wird, sich gegen die Bevormundung zur Wehr zu setzen. Die Instruktion verkündet zwar vollmundig: "Dem Diözesanbischof steht es zu, in der ihm anvertrauten Kirche innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit Normen für den Bereich der Liturgie zu erlassen, an die alle gebunden sind" (21). Aber schon wenige Sätze später wird weder dem einzelnen Bischof noch der Bischofskonferenz die Befugnis zugesprochen, "Experimente bezüglich liturgischer Texte und anderer Dinge, die in den liturgischen Büchern vorgeschrieben sind, zu gestatten. Damit solche Experimente in Zukunft durchgeführt werden können, ist die Erlaubnis der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung erforderlich, die schriftlich gegeben und von den Bischofskonferenzen beantragt werden muss. Diese Erlaubnis wird jedoch nur aus einem schwerwiegenden Grund gewährt" (27). "Alle Normen im Bereich der Liturgie, die eine Bischofskonferenz nach Maßgabe des Rechts für ihr Gebiet beschlossen hat, sind der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung für die Rekognoszierung vorzulegen, ohne die sie keinen verbindlichen Charakter haben" (28). Vergangene Jahrhunderte konnten sich ihre Riten nach ihren kulturellen Erfordernissen und Eigenheiten selber schaffen. Warum kann die Kongregation nicht einzelnen Bischofskonferenzen den Auftrag geben, eine Eucharistiefeier nach den Erkenntnissen, Sehnsüchten und Haltungen unserer Zeit und des heutigen Menschen zu gestalten?

Die gesamte Instruktion liest sich wie ein einziges Dokument der Angst und des Misstrauens. Das ist nichts zu spüren von einem wagemutigen und frohen Aufbruch ins neue Jahrtausend. Da atmet nichts den Geist der Freiheit, zu der uns Christus befreit hat; wohl aber fühlt man etwas vom Joch der Knechtschaft (vgl. Gal 5,1). Da lässt nichts erkennen, dass Rom die Zeichen der Zeit verstanden hat und bereit ist, daraus beherzt und zuversichtlich Konsequenzen zu ziehen. Wieder ist eine Chance vertan worden, die Kirche zukunftsfähig zu machen. Es bleibt nur die Hoffnung, dass sich nicht allzu viele mündige Christinnen und Christen von diesem Vorschriften- und Verbots-Katalog einschüchtern lassen.

Prof. Dr. Norbert Scholl, Wilhelmsfeld

Zuletzt geändert am 26­.01.2007