Petition Vaticanum 2

"Den Glaubensmut der Konzilspäpste und der Konzilsväter nicht verraten!" - Erklärung zur abschließenden Mitteilung der Glaubenskongregation vom 14. August 2009



Am 14. August 2009 ließ die Glaubenskongregation über die Apostolische Nuntiatur in Deutschland den Initiatorinnen und Initiatoren der PETITION VATICANUM II (www.petition-vaticanum2.org) lediglich Folgendes mitteilen:
„Die Glaubenskongregation bestätigt den Empfang Ihrer beiden (oben genannten) Briefe. Die Rede des Heiligen Vaters an die Römische Kurie anlässlich der Überbringung der Weihnachtsglückwünsche (22. Dezember 2005) stellt die hermeneutischen Prinzipien für eine korrekte Interpretation der Dokumente des II. Vatikanischen Konzils dar.“

Die Initiatorinnen und Initiatoren der Petition stellen hierzu Folgendes fest:
    1.
    Die Apostolische Nuntiatur ist die ständige Vertretung des Papstes in Deutschland und hat in diesem Fall die Vermittlung übernommen. Die Glaubenskongregation ist zu einer direkten Kommunikation, wie sie von den internationalen Initiatorinnen und Initiatoren der Petition mehrfach gewünscht wurde, offensichtlich nicht bereit.
    2.
    Der Verweis der Glaubenskongregation auf die umfangreichen, aber inhaltlich pauschalen und abwehrenden päpstlichen Reflexionen von Dezember 2005 über verbindliche Regeln zur Auslegung der Konzilsbeschlüsse wird dem aktuellen Anliegen der PETITION VATICANUM II nicht gerecht: den Unterzeichnenden geht es um die Erinnerung an die Verbindlichkeit zentraler Konzilsbeschlüsse, die den Mitgliedern der römisch-katholischen Kirche ein glaubwürdiges Zeugnis in der Welt von heute ermöglichen.
    3.
    Die autoritäre Beantwortung von Auslegungsfragen führt zwangsläufig zu Dialogunfähigkeit und Fundamentalisierung. Das Ergebnis ist der – auch vom Vatikan beklagte – Traditionsabbruch zu den nächsten Generationen hin, den wir heute bereits vielfach beobachten können.
    4.
    Es ist zu befürchten, dass solche Abwehr- und Ablenkungsmanöver auch weiterhin den Stil der vatikanischen Überlegungen zur Rezeption der Konzilsbeschlüsse prägen werden – bis hin zu Entscheidungen darüber, welche Konzilsdokumente in den Verhandlungen mit der Priesterbruderschaft St. Pius X. möglicherweise als nebenrangig einzustufen sind.
    5.
    Von einer solchen Einstufung als nebenrangig bedroht sehen die Unterzeichnenden der PETITION v. a. die von ihnen erwähnten Konzilsdokumente über die Ökumene, über das Verhältnis zu den nichtchristlichen Religionen, über die Religionsfreiheit und über das Leben der Kirche in der Welt von heute. Denn viele der darin enthaltenen Aussagen wahren nicht die aus Sicht der fundamentalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. notwendige ungebrochene Kontinuität katholischer Lehre.
    6.
    Notwendig ist eine kritische Sicht auf die römisch-katholische Tradition, die zur Entlarvung von Traditionen beiträgt, die den Kern der christlichen Botschaft von der rettenden und befreienden Liebe Gottes oft über Jahrhunderte entstellt haben. Eine solche Traditionskritik wird jedoch von den Verfechtern einer „ungebrochenen Kontinuität“ katholischer Lehre als Bedrohung empfunden.
    7.
    Das Fehlen einer Traditionskritik, die mit dem Konzil einen wirklichen Neuanfang aus einem Prozess der Umkehr und Versöhnung ermöglicht hätte, beklagte der heutige Papst und damalige Konzilstheologe 1967 in einem Kommentar zur Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung: „Das Vaticanum II hat in diesem Punkt bedauerlicherweise keinen Fortschritt gebracht, sondern das traditionskritische Moment so gut wie völlig übergangen. ... Gerade ein Konzil, das sich bewusst als Reformkonzil verstand, und damit implizit Möglichkeit und Wirklichkeit entstellender Tradition einräumte, hätte hier ein wesentliches Stück theologischer Grundlegung seiner selbst und seines eigenen Wollens reflex vollziehen können.“
    8.
    Eine sowohl kontinuierliche als auch traditionskritische Weiterentwicklung der Überlieferung braucht den Dialog zwischen weltoffener pastoraler Praxis, ökumenisch, interreligiös und interdisziplinär ausgerichteter wissenschaftlicher Forschung und Lehre und einer kommunikationsfähigen Kirchenleitung. Diese Form der Traditionsbildung – die auch Schuldbekenntnisse und Umkehrprozesse einschließt – ist ein leider oft vergessener Wesenszug der jüdisch-christlichen Tradition. Trotz aller Widerstände praktizieren viele jüdische und christliche Gemeinden im Vertrauen auf Gottes Wort weltweit bis heute diesen Entwicklungsprozess.
Die vatikanische Abwehr des weltweiten innerkatholischen Reformengagements wirkt wie ein Kontroll- und Sicherungsbedürfnis, das sich mit der Botschaft Jesu und den Anforderungen an eine communio (Gemeinschaft) im Sinne des letzten Konzils nicht vereinbaren lässt. Die damit verbundenen Sanktionen verursachen aktuell in pastoraler Praxis, in Wissenschaft und Kirchenleitung Ängste, die kirchliches Leben auf vielfache Weise lähmen. Das Anliegen der PETITION VATICANUM II war und ist die Aufforderung, den Glaubensmut der Konzilspäpste und der Konzilsväter nicht zu verraten.

Essen, zum 11. Oktober 2009, dem 47. Jahrestag der Konzilseröffnung

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54.104 Unterschriften für weltweite Konzilspetition, doch Glaubenskongregation nicht zur Entgegennahme bereit
> Pressemitteilung der InitiatorInnen der Petition, 22. Juli 2009

Wir sind Kirche: 50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil
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Zuletzt geändert am 13­.10.2009