Papstbesuch USA und UN

Internationale Bewegung Wir sind Kirche: Nagelprobe für die politischen und pastoralen Fähigkeiten von Papst Benedikt

Pressemitteilung 13. April 2008

Zur kommenden USA-Reise und zur Rede des Papstes bei der UNO

Die Internationale Bewegung Wir sind Kirche hofft, dass Papst Benedikt auf seiner bevorstehenden Reise in die USA die richtigen Worte und Gesten finden wird angesichts der aktuellen Herausforderungen der globalen Entwicklung, des interreligiösen Dialogs, der Ökumene und der Zukunft der römisch-katholischen Kirche.

„Seine Reise in die Vereinigten Staaten - eine der weltweit größten römisch-katholischen Kirchen - wird die Nagelprobe für die politischen und pastoralen Fähigkeiten von Papst Benedikt sein“, sagt Raquel Mallavibarrena, Vorsitzende der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche, eine weltweite Reformbewegung innerhalb der römisch-katholischen Kirche.

Bei seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 18. April sollte der Papst sehr darauf bedacht sein, Worte zu wählen, die von den Menschen aller Kontinenten und aller Religionen auch richtig verstanden werden. Seine Rede kann durchaus Denkanstöße geben, aber er muss unbedingt Fehltritte wie im Mai 2006 in Auschwitz (gegenüber den Juden), im September 2006 in Regensburg (gegenüber den Islam) und im Mai 2007 in Brasilien (gegenüber indigenen Bevölkerungsgruppen) vermeiden.

Wenn der Papst bei den Vereinten Nationen über Menschenrechte und Gerechtigkeit spricht, wird er erklären müssen, warum der Vatikan gegenüber China eine Beschwichtigungspolitik betreibt und vor wenigen Monaten den Dalai Lama wieder ausgeladen hat. Das Plädoyer des Papstes für die Menschenrechte wäre noch viel überzeugender, wenn die römisch-katholische Kirche nicht den Frauen in der eigenen Kirche Gleichberechtigung und gleiche Verantwortlichkeit verweigern würde.

Dass das Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten, einem religiösen Fundamentalisten und Initiator des nicht zu rechtfertigenden Irak-Krieges, ausgerechnet am 81. Geburtstag des Papstes stattfindet, sieht Wir sind Kirche als kritisches Zeichen einer sehr gefährlichen strategischen Allianz. Bei seinem Treffen mit Präsident Bush sollte der Papst zumindest den vatikanischen Widerstand gegen den Irak-Krieg sowie die Notwendigkeit von Hilfen zur Armutsbekämpfung zur Sprache bringen. Christentum bedeutet Solidarität mit den Schwachen und Armen, nicht mit den politischen und wirtschaftlichen Eliten.

Drängende Fragen innerhalb der Kirche

„Wenn er wirklich ein guter Hirte seiner Herde sein will, muss er auch den weltweiten dramatischen Priestermangel und andere drängende pastorale Fragen der Kirche ansprechen“, erklärt Anthony Padovano, Sprecher von Wir sind Kirche in den Vereinigten Staaten und von CORPUS (Nationale Vereinigung für ein umfassendes Priestertum). Mit der Aufrechterhaltung des Pflichtzölibats – der sich nicht biblisch begründen lässt und der mittlerweile auf der ganzen Welt in Frage gestellt wird – verweigert der Papst den Gläubigen das Recht auf die sonntägliche Eucharistiefeier, das ihnen nach dem Kirchenrecht zusteht (can. 213 CIC).

„Der Papst hat deutlich zu machen, dass nach den Pädophilie-Skandalen der letzten Jahre jetzt die Politik der Null-Toleranz konsequent umgesetzt wird, wenn sein Pastoralbesuch in den USA ein wirklicher Neubeginn für die römisch-katholische Kirche in Nordamerika sein soll“, sagt Aisha S. Taylor, stellvertretende Sprecherin von Wir sind Kirche in den Vereinigten Staaten und Geschäftsführerin der Frauenordinations-Konferenz. „Wir brauchen viel mehr Transparenz und Verantwortlichkeit statt einer fortgesetzten Politik von Geheimhaltung und Schweigen.“

Für den ökumenischen und interreligiösen Dialog ist Wir sind Kirche sehr besorgt über die erneute Äußerung des Vatikans im letzten Jahr, dass der protestantischen Kirchen „nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“ sind, über die vor kurzem geänderte Karfreitags-Fürbitte für die Juden und über die Taufe eines Moslems in der Osternacht im Petersdom durch den Papst.

Wachsende Enttäuschung über den pastoralen Stillstand

„Drei Jahre nach seiner Wahl (19. April 2005), wird die Enttäuschung im Kirchenvolk immer größer, selbst unter denjenigen, die ursprünglich gehofft hatten, dass Ratzinger als Papst mutiger handeln würde als in seiner Funktion als Präfekt der Glaubenskongregation“, stellt Vittorio Bellavite fest, Sprecher von „Noi siamo Chiesa“ (Wir sind Kirche Italien).

Die durch das Zweite Vatikanische Konzil begründete Hoffnung von Millionen von Christinnen und Christen auf innere Reforme und ökumenischen Fortschritt wurden bis jetzt nicht realisiert.

Die Ausweitung des vorkonziliaren Tridentinischen Ritus, die Zensur der Schriften von P. Jon Sobrino SJ und anderer Befreiungstheologen sowie die Fortsetzung des alten Systems von Mission sind nur einige von vielen Anzeichen dafür, dass Papst Ratzinger einen Weg zur Aufhebung des Zweiten Vatikans eingeschlagen hat.


> „Das II. Vatikanische Konzil wird erneut in Frage gestellt“
Stellungnahme der Internationalen Bewegung Wir sind Kirche zum dritten Jahrestag der Wahl von Papst Benedikt XVI. am 19. April 2008



Hintergrundinformation:

Die Internationale Bewegung Wir sind Kirche ist eine basiskirchliche Reformbewegung von „Laien“, Priestern und Ordensleuten, die sich 1995 von Österreich und Deutschland aus in Europa und auf allen Kontinenten ausgebreitet hat. Wir sind Kirche ist in mehr als zwanzig Ländern vertreten und hat Kontakt mit anderen Reformbewegungen auf der ganzen Welt. Ziel ist, den mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) begonnenen Reformprozess in der römisch-katholischen Kirche, der in den letzten Jahren zum Stillstand kam, fortzuführen. Webseite: www.we-are-church.org

Die Internationale Bewegung Wir sind Kirche unterstützt den an alle Katholikinnen und Katholiken gerichteten Aufruf von Voice of the Faithful (VOTF) zur Umgestaltung unserer Kirche: http://votf.org/petition

Übersetzung aus dem Englischen: Christian Weisner


Kontakt:
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Anthony Padovano (USA)
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Aisha S. Taylor (USA)
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Raquel Mallavibarrena (Vorsitzende) (Spanien)
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Vittorio Bellavite (Italien)
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Zuletzt geändert am 28­.10.2008