PGR-Wahlen November 2007

Laien müssen Aufgaben und Verantwortung wiederentdecken und einfordern

Pressemitteilung München, 11. November 2007

Wir sind Kirche zu den Pfarrgemeinderatswahlen am 10./11. November 2007 in den Bistümern Fulda, Limburg, Mainz, Speyer und Trier und am 17./18. November 2007in Berlin

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche ruft anlässlich der Pfarrgemeinderatswahlen in sechs deutschen Bistümern die neu gewählten Pfarrgemeinderäte dazu auf, sich der Verantwortung für die Zukunft ihrer Gemeinden, aber auch ihrer Handlungsmöglichkeiten bewusst zu werden. Wir sind Kirche gratuliert den Pfarrgemeinderäten zu ihrer Wahl und ermutigt sie, die Möglichkeiten des bestehenden Kirchenrechts auszuschöpfen, das zumindest in seinen Grundsätzen Elemente der Anhörung und Mitbestimmung des Kirchenvolkes bei Entscheidungen enthält. Die neugewählten Pfarrgemeinderäte sollten sich nicht darin beirren lassen, die Dialogpflicht der Amtsträger wieder und wieder einzufordern.

Die Pfarrgemeinderäte stellen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65) eine wichtige Form der Beteiligung an der Gestaltung von Gemeinde und Kirche dar. Doch eine wirkliche Beteiligung des Kirchenvolkes an wichtigen Entscheidungen auf Pfarr-, Dekanats- und Diözesanebene ist noch lange nicht erreicht. Nicht nur im Bistum Regensburg wird derzeit leider der Versuch unternommen, die Beteiligung und Mitwirkung von Laien – Frauen wie Männern – wieder zurückzuschrauben.

Mitarbeiten Ja - Mitbestimmen Nein?

Wenn es nur heißt: „Mitarbeiten Ja - Mitbestimmen Nein“, entspricht dies nicht der Intention des Konzils und führt nicht selten zu Konflikten und Frustrationen. Laien muss deshalb auf allen kirchlichen Ebenen das Recht der Mitsprache zukommen, damit sowohl der „sensus fidelium“ (Glaubenssinn des Gottesvolkes) ebenso deutlich zum Tragen kommt wie die Verantwortung der Kleriker. Das betrifft alle wichtigen Personalentscheidungen, Fragen der Gestaltung und Organisation des liturgischen Lebens, der pastoralen Schwerpunktsetzung und der ökumenischen Arbeit wie auch alle finanziellen Angelegenheiten.

Laien sollten auch das Recht der aktiven Mitbestimmung bzw. Mitgestaltung erhalten, denn bis jetzt sind die Gremien der Mitverantwortung wie z.B. Pfarrgemeinderat und Diözesanrat rechtlich unzureichend konzipiert. Eine Mitwirkung ist ausschließlich in der Form der Beratung vorgesehen und hängt vom guten Willen des jeweiligen Bischofs und Pfarrers ab. Wir sind Kirche begrüßt in diesem Zusammenhang die Erklärung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) vom 19. Oktober 2007 „Zur Mitwirkung des Gottesvolkes bei der Bischofsbestellung“, die eine konkrete Forderung des KirchenVolksBegehrens aufgreift.

Darüber hinaus sind Laien wesentlich mehr kirchliche Aufgaben, Dienste und Ämter zu eröffnen als bisher. Viele davon sollten sie nicht nur in der Notsituation des Klerikermangels oder mit Ausnahmegenehmigung wahrnehmen können, sondern prinzipiell und unabhängig vom klerikalen Personalbestand.

Pastorale Neuordnungen der Bischöfe täuschen über Kollaps der Gemeindestrukturen hinweg

Die Pfarrgemeinderäte müssen sich der Realität stellen, dass viele Gemeinden in Zukunft ohne Priester sein werden. Wir sind Kirche ermutigt die Pfarrgemeinderäte, dies als Chance für eine lebendige Gemeinde eigenverantwortlich und mündig zu nutzen, entsprechend den Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Für ein Überleben vieler Gemeinden wird es nach Ansicht von Wir sind Kirche immer notwendiger, dass auch haupt- und ehrenamtliche Laien Aufgaben der Seelsorge und Gemeindeführung übernehmen. Laientheologen sind keine theologischen Laien!

Die bereits vollzogenen und noch geplanten pastoralen Neuordnungen der Bischöfe tragen den Bedürfnissen der Gemeinden nur sehr unzureichend Rechnung und vernachlässigen in sträflicher Weise die Gemeindebildung. Die Priester sind mit den zunehmenden Leitungsaufgaben überfordert. Laien, denen keine wirkliche Verantwortung und Kompetenz übertragen wird, sind immer weniger bereit, als Lückenbüßer tätig zu werden.

Statt struktureller Scheinlösungen, die an der Kirchenbasis sehr umstritten sind, sollten die Bischöfe die Eigenverantwortung der Gemeinden nach dem Subsidiaritätsprinzip stärken. Alle Strukturmodelle, die auf den Priester als Gemeindeleiter fixiert sind, zerstören die christlichen Gemeinden in ihrem theologischen Kern. Damit die gemeinsame Mahlfeier Mittelpunkt gemeindlichen Lebens bleibt, müssen auch neue liturgische Formen entwickelt werden, die nicht auf das Amt fixiert sind, so wie dies z.B. das aktuelle Diskussionspapier „Kirche und Amt“ der niederländischen Dominikaner vorschlägt.

Hintergrund:

Die Pfarrgemeinderäte beruhen auf dem Bild von Kirche als Volk Gottes, wie es das Zweite Vatikanische Konzil herausgestellt hat. Das Konzil betont die enge Zusammengehörigkeit aller Getauften und Gefirmten, aber auch ihre gemeinsame Verantwortung in Kirche und Gesellschaft. In der Kirchenkonstitution „Lumen gentium“ wurde die Position des Kirchenvolks theologisch neu definiert. Das Konzilsdekret über das Apostolat der Laien „Apostolicam actuositatem“ hat den vielfältigen Laienvereinigungen eine Ermutigung ausgesprochen und die Ausbildung der Laien zum Apostolat gefordert.

Leitidee der „Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland“ („Würzburger Synode“, 1971-1975) war: „Aus einer Gemeinde, die sich pastoral versorgen lässt, muss eine Gemeinde werden, die ihr Leben im gemeinsamen Dienst aller und in unübertragbarer Eigenverantwortung jedes einzelnen gestaltet.“ (Beschluss Dienste und Ämter 1.3.2). Dies ist besonders in den Beschlüssen über die Beteiligung der Laien an der Verkündigung und über die pastoralen Dienste in der Gemeinde zum Ausdruck gekommen.

Papst Benedikt XVI. schreibt in seinem kürzlich wieder aufgelegten und aktualisierten Buch „Demokratie in der Kirche“: „Die Pfarrgemeinderäte sind zu einem wichtigen Element in der Pfarrgemeinschaft geworden; ihr Beitrag daran ist kaum noch wegzudenken.“


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Zuletzt geändert am 11­.11.2007