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Veröffentlicht am 29­.02.2008

29.2.2008 - Süddeutsche Zeitung

zu: „Zollitsch stößt Diskussion über Zölibat an “ 18. 02. 2008

Natürlich ist es zunächst einmal für viele Katholiken ein ermutigendes Zeichen, wenn der gerade neu gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz mit seinen Äußerungen zum Zölibat sich auf ein derart vermintes Feld wagt. Doch bei nüchterner Betrachtung sagt Zollitsch nichts anderes, was schon seit Jahrzehnten viele andere vor ihm gesagt haben, dass nämlich die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit „nicht theologisch notwendig“ sei. Auch hohe Vatikanvertreter betonten in der Vergangenheit immer wieder , in der Kirche sei immer klar gewesen, dass es sich bei der Verpflichtung zur Ehelosigkeit für Priester nicht um ein Dogma, sondern um eine Disziplinarnorm handele. Diese gelte für die lateinische Kirche, aber nicht für die katholischen Ostkirchen, wo es verheiratete Priester gibt. Ebenso sei aber klar, dass sich der Zölibat auf eine alte Tradition sowie gewichtige theologisch-spirituelle und praktisch-pastorale Gründe stütze.

Warum Zollitsch in seinen jüngsten Interviews den Medien eine Steilvorlage für einen derart breiten Spielraum für Spekulationen gegeben hat, bleibt wohl ein Geheimnis des neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz ; entweder muss man ihm Medienunerfahrenheit zugute halten oder es liegt die Vermutung nahe , dass er sich auf vatikanischem Parkett noch nicht genügend auszukennen scheint. Alle vatikanischen Äußerungen der letzten Zeit weisen eindeutig darauf hin, dass der Vatikan keine Spielräume für eine Lockerung des Zölibats eröffnen wird.

So zeigte sich der vatikanische "Justizminister" Kardinal Julian Herranz im Jahre 2006 nach den Beratungen zum Fall Milingo davon überzeugt, dass auch eine neue Debatte nichts am Zölibat für katholische Priester ändern werde. „Er ist immer wieder diskutiert worden, aber man ist stets zu dem Schluss gekommen, ihn zu erhalten", so der Präsident des Päpstlichen Rates für die Interpretation von Gesetzestexten im Interview der italienischen Tageszeitung "Il Giornale".

Deshalb warne ich davor, die Äußerungen von Zollitsch als Startsignal für eine bald bevorstehende Zölibatslockerung des Vatikans anzusehen. Zollitsch wird wohl damit zu rechnen haben, sehr bald nach Rom „einbestellt“ zu werden und wird wohl nach den Gesprächen vor laufenden Kameras in Rom zu erklären haben, dass sein Interview missverständlich gedeutet worden sei, dass er selbstverständlich die vorherrschende Meinung des Vatikans teile und dass er keinen Grund für weitere Aufregungen in dieser Frage sehe. Das ist das ganz normale Procedere Roms mit Querdenkern auf der Hierarchie-Ebene. Zollitsch wird sich hüten, in der Zukunft noch weitere „heiße Eisen“ innerhalb der katholischen Kirche anzurühren. Der Katalog von möglichen Repressionen gegenüber Personen auf dieser Ämterebene sind auf vatikanischer Seite gewiss noch längst nicht ausgeschöpft. Rom wird Zollitsch bei weiteren Querschüssen schon zeigen, wer Koch und wer Kellner ist ; entweder holt Zollitsch in einem Schnelldurchgang das Erlernen der vatikanischen Disziplinierungsmechanismen nach – oder er wird die zermürbenden Greiffänge des autokratisch geprägten, antidemokratischen vatikanischen Justizwesens bis zum bitteren Ende kennen lernen. Die Berater des neuen Vorsitzenden der Bischofskonferenz werden vermutlich noch viel zu tun haben, um ihm immer wieder zu verdeutlichen, dass in Rom die Uhren eben anders ticken als in Freiburg!

Paul Haverkamp, 49809 Lingen

Zuletzt geändert am 05­.03.2008