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Veröffentlicht am 17­.12.2009

HAMMELBURG Reformer beten donnerstags

Unterschriftenaktion für Veränderungen in der katholischen Kirche

Spontan gründete sich nach der Suspendierung von Pfarrer Michael Sell der Aktionskreis „Kirche in Bewegung“ (KiB). Seitdem lädt KiB wöchentlich zum Donnerstagsgebet in die Stadtpfarrkirche St. Johannes ein. Der Name soll an die Leipziger Montagsgebete erinnern. „Denn die Kraft der Gebete ist stark, das spüren wir jeden Donnerstag“, sagt Beate Ritter-Schilling von KiB. Gebetet wird in einer offenen Liturgieform um die geistige Erneuerung in der katholischen Kirche.

Am Montag nach der Entpflichtung von Sell trafen sich im Wohnzimmer von Beate Ritter-Schilling zehn Frauen und Männer, um „irgendetwas zu machen, damit der Pflichtzölibat nicht noch mehr Leid anrichtet“, erinnert sich Maria Heckmann von KiB. Der Brief, den sie an Freunde und Pfarrgemeindemitglieder sandte und der den Aktionskreis mit ins Leben rief, ist auf der Internetseite von KiB nachzulesen.

Keine Verschwörung

„Wir waren alle überrascht, wie schnell KiB zustande kam, wie viele Ideen da waren und welch großes Bedürfnis sich in einer gesprächsbereiten Atmosphäre zu begegnen“, sagt Beate Ritter-Schilling. Sie verneint die „Verschwörungsgedanken“, die immer wieder verbreiten, alles sei von langer Hand geplant gewesen. „Wir sind ein offener Aktionskreis gläubiger und engagierter katholischer Christen, jeder ist willkommen, jeder kann sich einbringen.“ Momentan habe KiB 25 aktive Mitarbeiter. „Außerdem kommen rund 300 Leute aus allen Generationen und vielen Gemeinden wöchentlich zum Donnerstagsgebet“, stellt Ritter-Schilling fest.

Dieter Stadler aus Untererthal trägt den Button mit dem Logo von KiB am Revers seiner Jacke. Der KiB-Button fällt ins Auge. „Ich freue mich über jeden, der mich darauf anspricht.“ Der Vater von drei Kindern hat Bischof Friedhelm Hofmann einen „emotionalen“ Brief nach Sells Weggang geschickt.

„Ich habe Angst, dass meine Kinder keinen Priester mehr erleben, der sie begeistert, der sie mitnimmt, der unsere Sprache spricht“, schrieb der Familienvater dem Bischof. Als Antwort habe er theologische Ausführungen zum Zölibat erhalten sowie einen Querverweis auf das Bischof-Interview in der Main-Post. „Das hat mir nicht geholfen. So kam ich zu KiB, denn ich möchte etwas tun, möchte christliche Gemeinschaft erleben und konnte nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagt Stadler.

Suspendierte als Seelsorger

KiB wendet sich in einem offenen Brief an Bischof Hofmann. Bittet ihn, gemeinsam mit den deutschen Bischöfen schnell einen Weg zu finden, suspendierte Priester innerhalb der Kirche wieder als Seelsorger einzusetzen. Bittet ihn, bei Reformen mitzuwirken, die es ermöglichen, dass sich zum Priestertum berufene Menschen für diesen besonderen Weg mit Gott entscheiden können, ohne sich für die Ehelosigkeit verpflichten zu müssen. „Der Zölibat würde dadurch in seinem Wert nicht verringert, sondern durch die betonte Freiwilligkeit sogar gesteigert“, erklärt Maria Heckmann.

Rund 2500 Unterschriften seien schon gesammelt. Die Aktion läuft bis Ende Dezember. Etliche Pfarrgemeinden haben Kontakt zu KiB aufgenommen und legen den Brief offen aus. Die Unterschriftenlisten möchte KiB Bischof Hofmann persönlich übergeben vor der Tagung der Deutschen Bischofskonferenz im Februar, um ihm den Rücken zu stärken.

Kontakt hat Kirche in Bewegung nicht nur zu deutschen Reformbewegungen wie „Wir sind Kirche“, „Priester ohne Amt“ oder Pfarrerinitiativen, sondern auch zu österreichischen und schweizerischen Reformwilligen.

Nachbarländer sind schon weiter

„Unsere Nachbarn sind viel näher am Thema dran, sind uns mindestens schon drei Schritte voraus und bereits im Dialog mit ihren Bischöfen“, stellt Beate Ritter-Schilling fest.

Das Hammelburger Donnerstagsgebet wird von verschiedenen Gruppen und Leuten gestaltet. „Das ist sowohl inhaltlich wie musikalisch abwechslungsreich, denn jeder bringt seine Fähigkeiten ein“, sagt Ritter-Schilling. Inzwischen plant KiB auch Informations- und Diskussionsveranstaltungen, beispielsweise mit dem Tübinger Professor für Pastoraltheologie, Ottmar Fuchs. Dem Autor von „Im Innersten gefährdet – Für ein neues Verhältnis von Kirchenamt und Gottesvolk“ liegt eine Anfrage von KiB vor.

Bereits zum neunten Mal fand nun das Donnerstagsgebet statt, das beim vergangenen Mal von der Kolpingfamilie gestaltet wurde. Für nächste Woche, Heiligabend, bietet KiB eine Gebetsvorlage an, die auch von der KiB-Internetseite heruntergeladen werden kann. An Silvester wird auf dem Marktplatz gebetet. „Denn bei jedem zehnten Donnerstaggebet wollen wir dahin zurückkehren, wo wir uns beim ersten Mal getroffen haben.“ Die Leute von KiB wissen, dass sie einen langen Atem brauchen, und sie haben Visionen. „Wir haben einen Prozess in Gang gesetzt, der nicht an Erfolge gekoppelt ist“, sagt Maria Heckmann.

Zuletzt geändert am 29­.01.2016