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Veröffentlicht am 09­.02.2004

Tagungsbericht: Kirche ohne Geld und Vertrauen

Was kommt nach McKinsey? - Tagung auf Burg Rothenfels am Main

Endzeit-Stimmung oder Aufbruch-Zeit? „Kirche ohne Geld und Vertrauen“ lautet der Befund aktueller Umfragen. Wie darauf zu reagieren ist, war die Kernfrage der gleichnamigen Veranstaltung, zu der die Burg Rothenfels am Main eingeladen hatte.

Thomas von Mitschke, „Senior Director“ der Unternehmensberatung McKinsey, präsentierte Daten und Analysen, aus der Untersuchung „Perspektive Deutschland“, die im letzten Jahr für großes Aufsehen sorgte.

Beide christlichen Kirchen genießen nur noch geringes Vertrauen; mehr als ein Drittel aller Befragten halten die katholische Kirche für nicht veränderungsfähig. Wenn es um gesellschaftliche Orientierung, dann suchen noch 3% der Bürger Rat bei den Kirchen – gleichzeitig wird beklagt, dass in Deutschland Menschen fehlen, die Orientierung geben könnten. Einzig Caritas und Diakonie genießen hohes Vertrauen. Für von Mitschke, der engagierter Christ ist, droht hier eine Falle: „Für die Kirchen wird es bedrohlich, wenn sie nicht mehr den Anspruch erheben, Lebensorientierung zu geben.“ Die Situation wird verschärft durch die Entwicklung der Mitgliederzahlen: waren 1991 noch 28,2 Millionen Katholiken in Deutschland zu zählen, sank diese Zahl im Jahr 2002 auf 26,5 Millionen. Für das Jahr 2050 sagt von Mitschke einen Rückgang auf 16,4 Millionen Kirchenmitglieder voraus – mit dramatischen Folgen für die Kirchensteuereinnahmen.

Was also ist zu tun? Um es vorweg zu nehmen: Es besteht kein Anlass zu Resignation, wenn die selbstverständliche Offenheit und Klarheit der Rothenfelser Tagung auf die katholische Kirche und ihre Suchbewegungen ausstrahlt. „Gott bewahre uns vor den einfachen Lösungen!“ betonte der Osnabrücker Generalvikar Theo Paul und sprach damit vielen Teilnehmern aus dem Herzen. In dieser Situation hilft nicht die Flucht in die Selbstberuhigung oder schlimmer noch Spiritualisierung einer ernsten Situation – warnte der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher und ermunterte zur Schaffung neuer Orte, in denen der christliche Glaube seine Sprach- und Erschließungskraft beweist. Ob „Pastoral der Weite und Tiefe“, ob neue Aufmerksamkeit für häufig übersehene Reichtümer des christlichen Glaubens im Sinne einer „kulturellen Diakonie“ (Theo Paul), ob Stärkung der Frauenpartizipation in Entscheidungs- und Verantwortungsstrukturen der Kirche, ob Plädoyer für eine neue Berufungstheologie (Magdalena Bogner, Präsidentin kfd ) oder für eine qualifizierte dem Anspruch des Evangeliums gemäße christliche Bildung (Andreas Verhülsdonk, DBK Bereich Glaube und Bildung) – die Diskussionsbeiträge hatten eines gemeinsam: Aufbruch wird gegenwärtig nur dort möglich sein, wo Menschen die Liebe Gottes sehr konkret in ihren Lebenssituationen glaubhaft zu vermitteln und darin unerwartete Zusammenhänge und menschliche Bindungen entdecken und den Mut haben, auf sie setzen. Daß die gegenwärtige Finanzkrise eine neue christliche Phantasie freisetzen kann, wurde in Rothenfels spürbar. Dass dies keineswegs einem realistischen und nüchternen Umgang mit Geld widerspricht, machte vor allem Theo Paul den Teilnehmern der Tagung deutlich. Mag sein, dass dies an dem durch Transparenz und Glaubwürdigkeit bestimmten Weg liegt, den das Bistum Osnabrück bereits eingeschlagen hat.

Die Antwortversuche der Rothenfelser Tagung sind allesamt nicht neu, doch überraschte der Stil der Gespräche und Diskussionen. Frei von Leidensmiene und Ressentiment suchten alle Beteiligten nach möglichen Auswegen aus der gegenwärtige Krise. Von Mangel an Vertrauen in die Entdeckungskraft des Evangeliums war in Rothenfels jedenfalls nichts zu spüren. Ein kleines Hoffnungszeichen: nun ist die Frage, wie dieser Impuls weiter getragen wird in die deutschen Bistümer, Gemeinden und Verbände.
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Zuletzt geändert am 06­.05.2006