Aufgelesen
  Sag mir, wie viele Priester es 2020 noch gibt und ich sage Dir, wie das Bistum dann aussehen soll!

Der Strukturplan 2020 des Bistums Trier.

Aus imprimatur 8/2006

Auf 87 Seiten, DIN A 4 – Format, stellt der Beauftragte des Bistums Trier, Dr. Martin Lörsch, der staunenden Bistumsöffentlichkeit im Auftrag von Bischof R. Marx den Entwurf seines Projektes 2020 vor. Das Titelbild schmückt eine Gesprächsrunde mit ernsten Gesichtern, einige Frauen, der Gesprächsleiter im Vordergrund ist männlich. Dazu wird ein glücklich und optimistisch lachender Dechant in römischem Gewand aus Saarbrücken gezeigt. Zu diesem umfangreichen Heft heißt es: „Wir ordnen Aufgaben, Zuständigkeiten und Räume und gestalten so das Leben als Volk Gottes im Bistum Trier auf neue Weise“.

„Manch einer wird sich beim Lesen denken: unsere Mühen haben sich gelohnt, wir konnten an einem Vorschlag mitwirken, der für unsere Gemeinden zukunftsfähig ist. Andere werden vielleicht enttäuscht sein, dass ihre Argumente und Aspekte doch nicht zum Tragen gekommen sind....“weiter wie bisher“ ...würde zu einer ständig steigenden Überforderung unserer Mitarbeiter, gerade der ehrenamtlich Engagierten vor Ort führen“, sagt M. Lörsch. Eine inzwischen einberufene Dechantenkonferenz hat, wie erwartet dem Projekt zugestimmt und die Hoffnung ausgedrückt, dass man die Pfarrer schon mit auf den Weg bringen könne.

Wie kam es zu diesem Strukturplan?
„Mit dem Start des Projektes 2020 hat Bischof Dr. Reinhard Marx konkrete Vorgaben formuliert und veröffentlicht. Eine Vorgabe lautete, einen Entwurf mit ca. 180 pastoralen Einheiten für die Neuordnung der Pfarreien vorzulegen. Diese Zahl steht in enger Verbindung zur Zahl der Gemeindepfarrer, die voraussichtlich im Jahre 2020 dem Bistum Trier zur Verfügung stehen werden“.

Mit diesem Hinweis entlarvt sich die ganze Arbeit des Projektes. Im Vordergrund steht nicht das Wohl des einzelnen Katholiken. Es steht nicht im Vordergrund, wie Gemeinde oder Ortspfarrei personell und finanziell ausgestattet sein muss, um den Menschen unter heutigen Bedingungen eine Hilfe für die Bewältigung ihres Lebens zu sein. Nicht „von unten“ her wird entschieden, wie sich bisherige Seelsorgeeinheiten zur besseren Aufgabenbewältigung vernetzen, wie es beispielsweise in den Kommunen geschehen ist. Wichtig ist vielmehr, dass „von oben“ her gesehen die Klerusstruktur der Kirche nicht in Gefahr kommt: Gemeindeleitung muss in der Hand des Pfarrers liegen, den es derzeit nur männlich, zölibatär und „geweiht“ gibt und nach Auffassung des Bischofs nur geben kann. Diesem Prinzip ordnet sich die ganze Planung des Projektes unter, das dann auch als weitere Begründung für seine Existenz anführt: „demografischer Wandel, lebensraumprägende und kommunale Strukturen, rückläufige Mitgliederzahlen, abnehmende Finanzmittel und der Rückgang der Zahl der Ehrenamtlichen in den Gemeinden“.

„Überall ist er und nirgends“
So singt die Gottesdienstgemeinde in einem Lied aus dem Gotteslob und diese Aussage kann sie leicht auf den Pfarrer in den neuen Großräumen übertragen. Ein Pfarrer einer feierlich zusammengelegten Pfarrgemeinde aus vorher drei selbständigen Gemeinden wird am Wochenende telefonisch gesucht. In seiner Wohnsitzpfarrei meldet sich der Anrufbeantworter und verweist auf die Abwesenheit des Pfarrers und auf einen weiteren Anrufbeantworter. Auch dieser schaltet sich ein und verweist auf den Anrufbeantworter, der vorher die Auskunft gegeben hat, den jetzt erreichten Anrufbeantworter anzurufen. Der Test bei einem anderen Pfarrer, der inzwischen sechs bis acht Dörfer zu betreuen hat. Sympathischer Weise gibt er seine Handynummer an. Ergebnis auch per Handy: der Teilnehmer ist derzeit nicht erreichbar. Nun plädieren wir nicht für eine lückenlose Erreichbarkeit der wenigen Pfarrer, denen dieses Strukturprojekt des Bistums ja auch übergestülpt wurde. Es zeigt nur, wie wenig auf Dauer Seelsorge noch durch einen Pfarrer geschehen kann und diese wenigen Pfarrer überfordert sind. Einige Pfarrer, die von der Presse gefragt wurden, haben geantwortet: „wir haben jetzt noch mehr Arbeit und sind damit leicht überfordert“. „Das Mehr an Arbeit“ überfordert aber nicht so sehr wie die Arbeit unter unsinnigen Bedingungen. Und diesen Bedingungen sind die Pfarrer ausgesetzt. Nehmen wir als Beispiel das „Dekanat Saarbrücken“. Nach dem Votum des Projektteams wird es insgesamt im Großraum Saarbrücken 7 Pfarrgemeinden geben. Geordnet sind diese Pfarreien nach dem Stadtplan und das ergibt an Zahl der Katholiken für die einzelnen Großpfarreien: 9.444, 7.733, 13.325, 12.262, 14.561, 11.390, 8.474, also insgesamt 77.189 Katholiken, die 7 Pfarrern zugeordnet sind. Auch wenn einige Diakone dazu kommen, die ein bisschen mehr als die Laienseelsorgerinnen und –seelsorger dürfen, dann sind diese Priester vollauf beschäftigt mit all den Bereichen, die sich um die „Sakramentenpastoral“ ergeben und mit den Messfeiern, die ja ihr ausschließliches Privileg sind. Die pensionierten Priester werden zusammengetrommelt, um eine größere Zahl von Messen zu ermöglichen, wobei die Gottesdienstgemeinde in häufigem Wechsel gestresst ist. Sicher kann man sagen, dass die Zahl dieser Tätigkeiten sich zunehmend reduzieren: Taufen, Eheschließungen, Beerdigungen. Großzügig übertragen wurde an die Laienseelsorgerinnen und –seelsorger die Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen zur Kommunion und zur Firmung. Der „diakonische Aspekt“, der ja sehr personalintensiv ist, bleibt oft auf der Strecke. Selbst die Krankenpastoral verkümmert, da kaum noch Katholiken auf den Gedanken kommen, den „Pfarrer zu rufen“, wenn es um Beistand in Krankheits- und Sterbephasen geht. „Der hat ja keine Zeit“.

Ja, aber wir haben doch zunehmend die Ehrenamtlichen.
Das Strukturprojekt wird auch begründet mit „dem Rückgang der Zahl der Ehrenamtlichen“. Dieser Plan soll auch dazu führen, dass eine ständig steigende Überforderung und Entmutigung..., gerade der ehrenamtlich Engagierten vor Ort verhindert werden soll. Diese Ehrenamtlichen werden an anderer Stelle „die Klingel im Dorf“ genannt, wobei sicher verstanden ist, dass man zu ihnen kommen kann und einen Ansprechpartner, meist werden es Ansprechpartnerinnen sein, findet. Nicht gemeint kann sein mit dieser “Klingel“ die Erinnerung daran, dass früher einmal ein „Gemeindediener“ durch das Dorf ging und an verschiedenen Orten mit seiner Glocke auf sich aufmerksam machte und dann ansagte, was für das Dorf wichtig zu wissen war. Das wäre wahrscheinlich schon eine allzu betonte Aufgabe für einen Laien neben dem Pfarrer.

Tatsächlich nimmt die Zahl der Ehrenamtlichen ab. Die entscheidende Frage ist nur das Warum! Es zeigt sich, dass die vitaleren Gemeindemitglieder und diejenigen mit einer guten Berufsausbildung nicht mehr bereit sind, ihre Zeit in Nebensächlichkeiten zu investieren. Etwa als Pfarrgemeinderatsmitglied ist sich heute jeder bewusst, dass gegen das Votum des Pfarrers nichts geht. Auch eigenständige Anregungen werden oft nur misstrauisch gesehen, da sie unter dem Verdacht stehen, eine Selbstständigkeit neben dem Pfarrer darzustellen. Die im Schnitt in der Stadt unter 5 % Gottesdienstbesucher „wählen“ die Pfarrgemeinderatsmitglieder, natürlich aus ihren Reihen. Es sind oft über Jahrzehnte die gleichen Gesichter. Das sind ehrenwerte Katholiken, aber es sind wohl nicht gerade diejenigen, die „missionarisch“ sich neue Wege vorstellen können, wenn es darum geht, nicht nur die 5 % nicht zu vergrätzen, sondern auf die 95 % zuzugehen und sie (wieder) zu gewinnen. In allen anderen gesellschaftlichen Gruppen sind es keine „Laien“ – also „Nichtfachleute“ –, die „großzügig“ ihren ehrenamtlichen Dienst tun dürfen, vielmehr finden sich immer wieder qualifizierte Mitbürger(innen), die sich in den Dienst nehmen lassen. In den Städten und Gemeinden gibt es neben den (Ober-)Bürgermeistern die „Ortsvorsteher(innen)“, die mit klaren Kompetenzen ausgestattet sind und nicht nur gehört werden (müssen). Sie haben bestimmte Entscheidungsrechte und werden entsprechend ernst genommen. Dieser Aspekt entfällt in den Pfarrgemeinden, es sei denn ein Pfarrer eröffnet „großzügig“ diese Möglichkeit auf privater Ebene. Sonst dürfen die Ehrenamtlichen „Klingel im Dorf“ sein und mithelfen, den Mangel zu verwalten. Im „Trierischen Volksfreund“ vom 06. November 2006 legt der Saarbrücker Dechant Michael Becker Wert darauf zu sagen: „Die Gemeindeleitung sollte aber auch künftig in der Hand von Priestern bleiben“. Das hat der Bischof wohl mit großem Wohlgefallen gelesen. Alles liegt auf Bischofslinie.

Gemeindeleitung durch Laien.
Während es in den Bistümern Deutschlands als ausgemacht gilt, dass eine Gemeindeleitung durch Laien unmöglich sein kann und darf, geht die Entwicklung in Ländern um Deutschland herum in eine andere Richtung.

„Wir sind Kirche“ zieht nach dem Ad-Limina-Besuch der ersten Gruppe deutscher Bischöfe beim Papst in Rom auch zu dieser Frage eine enttäuschende Zwischenbilanz:

„Die päpstliche Kritik an der in Deutschland immer wieder geforderten pastoralen Leitungsfunktionen auch durch Laien (Absatz 8) verkennt, dass diese in anderen Ländern kirchenrechtlich möglich ist und praktiziert wird. Die Papstrede erweckt dabei fälschlicherweise den Eindruck, als ob es dabei um Glaubenswahrheiten gehe. Die päpstliche Warnung vor "pastoralen Zweckmäßigkeiten" zeigt die große Unkenntnis Roms in Bezug auf die pastorale Situation in Deutschland, die bei weiter zunehmendem Priestermangel zu einer pastoralen Verwüstung führen wird.“

Am Beispiel Frankreich berichtet Matthias Sellmann (Hg), Deutschland – Missionsland. Zur Überwindung eines pastoralen Tabus. Quaestiones disputatae 206. Freiburg (Herder) 2004, 284 Seiten, aus den Diözesen Evry-Corbeil-Essonnes (im Süden von Paris); Sens-Auxerre (nördliches Burgund); Basisgemeinden in Poitiers: „Allen Beispielen gemeinsam ist die geringgewordene Rolle des Klerus. Weil es so gut wie keinen Klerus gibt, verselbständigen sich Gemeinden in pastoralen Teams, die aus der Mitte der Gemeinde für drei Jahre gewählt und dann vom Bischof ernannt werden. „Diese Equipe … ist für die Qualität des Lebens der Kirche verantwortlich… Sie trägt die Seelsorge der Pfarrei, nimmt Anteil an der Situation eines jeden, besonders … der Jugendlichen und der Verarmten“ (240). Die Equipe hat ihr Projekt – entsprechend den lokalen Bedürfnissen und den Prioritäten des Bistums - selbst definiert. Anders als in den deutschen Diözesen: in Frankreich werden nicht Pfarreien (wegen Priestermangels) aufgelöst und dann zentralistisch (als „Seelsorgeeinheiten“, oä) neu organisiert, sondern da werden die kleinen Gemeinschaften an der Peripherie verlebendigt. Die Periphere darf nicht verdorren. - Der Bischof von Poitiers zählt drei Aufgaben auf, „die erfüllt sein müssen, um von Kirche zu sprechen … Es ist der Geist, der den einen die Kraft gibt, das Evangelium zu verkünden, den anderen die Gabe zu beten, und es ist auch der Geist, der Männern und Frauen ermöglicht, den Armen zu entdecken…“ (244). Verkündigung, Liturgie, Diakonie. In der Equipe fehlt dann nur noch jemand, der sich um die Finanzen kümmert und jemand, der koordiniert. Fünf Mitglieder hat die Kerngruppe, um die herum die Basisgemeinde entsteht (im Bistum Poitiers gibt es inzwischen fast 250). Gelegentlich kommt ein Priester dazu, maximal dreimal im Monat; er hat aufgehört, der Mittelpunkt zu sein.“

Das Bistum Basel, meldet „online aktuell“ Personalnachrichten vom Januar 2002: „Ernennungen: Elke und Ralf Kreiselmeyer als Gemeindeleiterehepaar in der Pfarrei Therwil/BL per 20. Januar 2002.“ Frau Kreiselmeyer ist ausgebildete Pastoralreferentin und hat wegen fehlender Perspektiven für ihre kirchliche Arbeit Bayern verlassen und eine Anstellung im Bistum Basel angenommen, bei einem Bischof, der nicht unbedingt als „progressiv“ einzustufen ist, der aber doch mit dieser Beauftragung von Laien zu Gemeindeleitern eine neue positive Perspektive für sein Bistum sieht. Frau Kreiselmeyer hat beim Katholikentag in Saarbrücken in diesem Jahr mit Überzeugung ihr Konzept vertreten und verteidigt.

Und was sagt der Papst den deutschen Bischöfen bei ihrem Ad-Limina-Besuch?
„Zum Schluss möchte ich noch kurz auf ein ebenso dringendes wie emotional belastetes Problem eingehen: Es ist das Verhältnis von Priestern und Laien bei der Erfüllung der Sendung der Kirche. Wie wichtig die aktive Mitarbeit der Laien für das Leben der Kirche ist, erfahren wir in unserer säkularen Kultur immer mehr. All den Laien, die die Kirche aus der Kraft der Taufe lebendig mittragen, möchte ich von Herzen danken. Gerade weil das aktive Zeugnis der Laien so wichtig ist, ist auch wichtig, dass die spezifischen Sendungsprofile nicht vermischt werden. Die Predigt in der Heiligen Messe ist ein an das Weiheamt gebundener Auftrag; wenn eine ausreichende Zahl von Priestern und Diakonen anwesend ist, steht ihnen die Ausspendung der heiligen Kommunion zu. Auch wird immer wieder der Anspruch auf von Laien auszuübende pastorale Leitungsfunktionen erhoben. Dabei dürfen wir die damit zusammenhängenden Fragen nicht nur im Licht pastoraler Zweckmäßigkeiten erörtern, denn es geht hier um Glaubenswahrheiten, nämlich um die von Jesus Christus gestiftete sakramental-hierarchische Struktur Seiner Kirche. Da diese auf Seinem Willen und die apostolische Vollmacht auf Seiner Sendung beruhen, sind sie dem menschlichen Zugriff entzogen. Nur das Sakrament der Weihe befähigt den Empfänger in persona Christi zu sprechen und zu handeln. Dies, verehrte Mitbrüder, gilt es, mit aller Geduld und Lehrweisheit immer wieder einzuschärfen und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen.“

Die deutschen Bischöfe bleiben auf Ratzingerkurs, das haben sie beim Konflikt um „Donum Vitae“ bereits eingeübt.

Weh euch, ihr Schriftgelehrten.
Zur gleichen Zeit, in der die Gemeindestrukturen und deren Leben zugrunde gerichtet werden, wird auch die Bistumsverwaltung reformiert. Bischof Marx baut um sich herum eine Truppe von neu ernannten Monsignores und Prälaten, die stromlinienförmig das tun und begründen, was Marx von ihnen erwartet. Peinlich, dass niemals aus den Reihen der Bistumsverwaltung ein kritisches Wort an die Öffentlichkeit dringt. Die Bistumsverwalter legen sich wundersame Titel zu. So gibt es jetzt sogar einen „Kommunikationsdirektor Monsignore Stephan Wahl“. Peinlicher geht es ja wohl nicht mehr.

Ein kleiner Anflug von Hilflosigkeit kommt in der „projektinfo Oktober 2006“ zum Ausdruck, wenn es da neben tollen Erfolgsmeldungen zum Strukturplan 2020 unter der Überschrift „Lebendige, vielfältige Substrukturen“ heißt: „Viele der meist kleineren Gemeinden in den ländlich geprägten Räumen haben große Angst vor den Veränderungen. Sie machen sich Sorgen, dass sie in den größeren Einheiten „unter die Räder kommen“. Sie fürchten, dass sich die Pastoral vor allem auf die größeren Orte konzentrieren könnte. Diese Sorge ist nicht unberechtigt. Denken wir daran, wie viele Ortschaften schon lange keinen Lebensmittelladen und keine Gastwirtschaft mehr haben. Die Kirche im Dorf ist oft die letzte Institution, die noch funktioniert, das Gemeindeleben zusammenhält und die Kultur am Ort befruchtet“.

Hoffentlich wird es in späterer Zeit nicht einmal heißen: die Strukturreform hat das Leben erstickt.