Aufgelesen

Auszug aus „Offener Brief von Ruth Schäfer zu ihrem Austritt aus der römisch-katholischen Kirche“ vom 23.09.2003:

.... „Der von mir erfahrene Glaubwürdigkeitsverlust der römisch-katholischen Kirche hat verschiedene Dimensionen, rührt aber insgesamt von der grundsätzlichen Missachtung der Frauen in ihr her. Dies drückt sich insbesondere in der Verweigerung ihrer rechtlichen Gleichstellung in der Ordination aus. Für mich ist es erschütternd, dass die römisch-katholische Kirche in Belangen der Gerechtigkeit weit hinter der übrigen Gesellschaft zurückbleibt. Die Kirchenleitung scheint nicht bereit, auf Argumente zu hören, ja überhaupt die Realität wahrzunehmen. M.E. handelt es sich hierbei um deutliche Zeichen, dass ihrer Inanspruchnahme einer besonderen Führung durch den Heiligen Geist grundsätzlich widersprochen werden muss.

Meine Erfahrung besagt, dass solcherart geduldetes systemisches Unrecht das persönliche Glaubens-, das Gemeinde- und Gemeinschaftsleben verdirbt. So erscheinen etwa Predigten und Verlautbarungen über Liebe und Menschenfreundlichkeit, über Gottes Zuwendung zu den Armen (oder gar noch zu den Menschenrechten) vor diesem Hintergrund als hohl. Dabei gibt es durchaus viele Männer und Frauen, die über ein gewisses Unrechtbewusstsein verfügen; doch öffentlich schreiten nur die wenigsten gegen das erkannte Unrecht ein. Wenn sie sich ihre Furcht vor dem Verlust eigener Privilegien – etwa der kirchlichen Arbeitsstelle oder auch nur der Aussicht auf sie, der binnenkirchlichen Wertschätzung inklusive Kontakten und Karrierechancen oder auch nur eines ‚ruhigen Lebensabends’ – eingestehen, werden sie häufig zynisch. Machen sie sich aber selbst vor, dass der formulierte Misstand doch nicht so wichtig oder nicht so drängend, die Wahrheit den in diesem Zusammenhang immer wieder gern bemühten ‚einfachen Gläubigen’ nicht zuzumuten sei, werden sie über kurz oder lang persönlich unglaubwürdig und in kleinen Schritten eben doch patriarchal eingepasst. Viele Priester und Bischöfe sind sich gar nicht bewusst, mit wieviel Herablassung und Herzenshärte sie Frauen behandeln.“ ....