(Mehr als) sieben Jahre krähte Hahn
Verschweigen - Vertuschen - Verleugnen - Verschleppen
des sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche
 
 

Hätte sich der Vatikan nach den Vorwürfen gegenüber dem Wiener Kardinal Groër vor sieben Jahren grundlegend mit dem sexuellen Missbrauch in der Kirche befasst und entschieden gehandelt, hätte die große Krise, vor der die katholische Kirche jetzt in vielen Ländern steht, vermieden werden können. Die Untätigkeit der Kirchenhierarchie angesichts dieses Missbrauchs-Skandals waren einer der Auslöser für das KirchenVolksBegehren 1995 in Österreich, aus dem die mittlerweile weltweite KirchenVolksBewegung entstanden ist.
Die folgende Dokumentation der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zeigt, dass weder der Vatikan noch die Bischöfe bisher konsequent gegen dem sexuellen Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche eingeschritten sind.

Druckfreundliche Fassung der Dokumentation (PDF-Format)

1961
Der Vatikan erklärt: “Der Zuteilung zu religiösen Weihen und zur Priesterweihe sollte allen verwehrt werden, die mit bösen Tendenzen wie Homosexualität und Päderastie zu kämpfen haben, weil diese für das Alltagsleben und den priesterlichen Dienst ernsthafte Gefahren mit sich bringt”.

1985
Die Bischofskonferenzen der USA und Kanadas beschließen Regelungen für den Umgang mit sexuellem Missbrauch durch Kleriker. Diese Regelungen sind jedoch nicht verbindlich sind und werden nicht konsequent von den Bischöfen befolgt.

14. September 1986
Der Benediktinerpater Dr. Hans Hermann Groër wird trotz kircheninterner Bedenken als Nachfolger von Kardinal Dr. Franz König zum Erzbischof von Wien geweiht. Am 23. Mai 1988 folgte die Ernennung Erzbischof Groërs zum Kardinal.

1992
Nach einer amerikanischen Studie sind ca. 2 Prozent der katholischen Priester der USA fixierte Pädophile (Neigung zu Kindern) bzw. Ephebophile (Neigung zu Heranwachsenden). Darüber hinaus gibt es weitere 4 Prozent Priester, die vorübergehend an heranwachsenden Jungen und Mädchen sexuell interessiert sind. Das entspricht der Gruppe der regressiven Pädophilen bzw. Ephebophilen. (A.W. Richard Sipe, “Sexualität und Zölibat”, Paderborn 1992)

März 1995
Gegen den Erzbischof von Wien Kardinal Hermann Groër werden Anschuldigungen wegen lange zurückliegender sexueller Übergriffe auf Minderjährige laut. Er selbst äußert sich nicht zu den Vorwürfen, was auch innerhalb der Amtskirche eine Krise herauf beschwört. Der Vatikan stellt dem Kardinal den Wiener Weihbischof Christoph Schönborn als Koadjutor zur Seite.

April 1995
Die “Causa Groër” gibt den letzten Anstoß für das “Kirchenvolks-Begehren” in Österreich, das 5 Punkte für eine umfassende Erneuerung der römisch-katholischen Kirche im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils umfasst.
1. Aufbau einer geschwisterlichen Kirche
2. Volle Gleichberechtigung der Frauen in allen kirchlichen Ämtern
3. Keine Bindung des Priesteramtes an den Zölibat
4. Positive Bewertung der Sexualität; Anerkennung der verantworteten Gewissensentscheidung
5. Frohbotschaft statt Drohbotschaft

Juni 1995
Das “Kirchenvolks-Begehren” erhält 505.154 Unterschriften in Österreich.

Juli 1995
In der HerderKorrespondenz erscheint der Artikel “Dem Problem nicht Ausweichen - zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Priester” von Dr. Wunibald Müller, Leiter des Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach.

14. September 1995
Kardinal Groër übergibt die Leitung der Diözese seinem Weihbischof Christoph Schönborn, der ihm als Erzbischof nachfolgte. Groër zieht sich in das Zisterzienserkloster Roggendorf in Niederösterreich zurück, bleibt aber weiterhin Kardinal und behält so bis zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 1999 das Recht, an der Papstwahl mitzuwirken.

September bis November 1995
In Deutschland unterschreiben 1.845.141 Menschen das Kirchenvolks-Begehren, von denen sich, wie notariell festgestellt wurde, 1.483.340 ausdrücklich zur römisch-katholischen Kirche bekannt haben. Obwohl in Deutschland kein aktueller Fall des sexuellen Missbrauchs bekannt ist, wird das “Kirchenvolks-Begehren” prozentual von fast ebenso vielen Katholikinnen und Katholiken in Deutschland unterschrieben wie in Österreich.

Dezember 1995
In Südtirol erhält das “Kirchenvolks-Begehren” 18.284 Unterschriften.

1996
In Deutschland erscheint das von Stephen J. Rossetti und Wunibald Müller herausgegebene Buch “Sexueller Missbrauch Minderjähriger in der Kirche”, dessen englisch-sprachige Originalausgabe “Slayer of the Soul” bereits 1990 erschienen war.

21. Februar 1998
Der 45jährige Benediktinerpater P. Udo Fischer beschuldigt Kardinal Hans Hermann Groër, ihn während seiner Seminaristenzeit im Kloster Göttweig Ende der 70er Jahre sexuell belästigt zu haben, und wird daraufhin vom St. Pöltener Bischof Krenn abgesetzt. Der Abt des Klosters Geras, Joachim Angerer, hält die Amtsenthebung Fischers für eine unzulässige Einmischung Krenns in Angelegenheiten des Benediktinerordens.

27. Februar 1998
Öffentliche Erklärung der österreichischen Diözesanbischöfe Georg Eder, Christoph Kardinal Schönborn, Johann Weber und Egon Kapellari im Einvernehmen mit anderen Bischöfen:
“Wir sind nun zur moralischen Gewissheit gelangt, dass die gegen Alterzbischof Kardinal Hans Hermann Groër erhobenen Vorwürfe im wesentlichen zutreffen. ... Wenn ein Bischof schwerwiegender Verfehlungen gegen diese Moral zu Lasten von ihm anvertraut gewesenen jungen Menschen beschuldigt wird, dann genügt nicht eine Versöhnung in der Beichte. Vielmehr muss der Beschuldigte öffentlich und unzweideutig sagen, dass er unschuldig ist, oder öffentlich um Vergebung bitten, was meist auch mit einem Rückzug aus dem Amt verbunden sein wird. Kardinal Groër hat keine der beiden Möglichkeiten deutlich ergriffen. Die Einzigartigkeit dieser Situation hat sowohl die Österreichische Bischofskonferenz wie auch die Leitung der Weltkirche in Rom so unvorbereitet getroffen, ja gelähmt, dass es bisher zu keinem, die Öffentlichkeit überzeugenden Handeln gekommen ist.
Wir fühlen uns zu dieser Erklärung besonders verpflichtet, weil ein Schweigen die Seelsorge der Kirche weiterhin durch den lähmenden Generalverdacht belasten würde, der Ruf eines Kardinals sei der Kirche wichtiger als das Wohl junger Menschen. Wir möchten auch den Heiligen Vater vor der bereits öffentlich gemachten Behauptung schützen, er dulde ein solches zweideutiges Verhalten.”

April 1998
Nach einer päpstlichen Visitation im Stift Göttweig entschuldigt sich Kardinal Groër vage und gelobt, keine Handlungen mehr als Kardinal oder Bischof auszuüben; ein Fehlverhalten gesteht er nicht ein, die Vorwürfe gegen ihn wurden nie geklärt. Bischof Krenn erhebt neue Anschuldigungen gegenüber den Opfern Groërs.

19. - 21. Juni 1998
Während des Papstbesuchs in Österreich hält sich Kardinal Hans-Hermann Groër in einem Frauenkloster in der Nähe von Dresden auf.

10. Juli 1998
Für den jahrelangen sexuellen Missbrauch durch einen Geistlichen zahlt die Katholische Kirche in Dallas (US-Bundesstaat Texas) acht früheren Messdienern 23,4 Millionen Dollar (42,5 Millionen Mark) Entschädigung

20. März 1999
Es wird bekannt, dass ein heute 85jähriger Geistlicher 1997 einen geistig Behinderten “unsittlich berührt” hat. Dazu erklärt der Wiener Kardinal Schönborn: “Mein Gott, so was kann schon einmal passieren.” (Ö1 Mittagsjournal, 20.3.99)

30. April 2001
Der Papst bekräftigt die Anordnung, dass die kirchenrechtliche Zuständigkeit für Vergehen des sexuellen Missbrauchs bei der Glaubenskongregation liegt in dem “Motu propio” (kurzen Schreiben) “Sacramentorum sanctitas tutela” (Der Schutz der Heiligkeit der Sakramente). Diese Verfahren unterliegen damit jedoch der “päpstlichen Geheimhaltung”.

Mai 2001
Der jahrelange sexuelle Missbrauch an Ordensfrauen in Afrika wird aufgedeckt.
In einem Schreiben an Kardinalssekretär Angelo Sodano, Vatikan, fordern der Katholische Deutsche Frauenbund (KDFB) und die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) die Verantwortlichen in der Kirche auf, diese Vorfälle aufzuklären. Die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen und die betroffenen Frauen rehabilitiert werden.
Untersuchungen im Zusammenhang mit der Ökumenischen Dekade “Solidarität der Kirche mit den Frauen” (1988-1998) haben bereits vor einigen Jahren offen gelegt, dass es auch in Deutschland und anderen Ländern Europas, sowie in den USA Übergriffe von Kirchenvertretern auf Mädchen und Frauen gab.

Juli 2001
Aus 23 Ländern werden einschlägige Anzeigen über den sexuellen Missbrauch an Ordensfrauen bekannt. Dabei stellt sich heraus, dass die römische Kirchenleitung schon 1995 offiziell damit befasst worden war, aber bisher keine Informationen über allenfalls getroffene Abhilfemaßnahmen bekannt geworden sind. Mehr als hundert religiöse Organisationen, die sich der Wahrung von Frauen- und Menschenrechten verschrieben haben, gehen an die Öffentlichkeit gegangen.

Jahreswende 2001/2002
Weltweit eskalieren die Vorwürfe gegen pädophile (Neigung zu Kindern) und ephebophile (Neigung zu Heranwachsenden) Priester. Die österreichischen und deutschen Bischöfe halten sich mit Kommentaren zurück. Österreichs Bischöfe betonen, dass sie seit längerer Zeit in Diözesen Ombudsstellen für Opfer eingerichtet haben.

1. Januar 2002
Es gibt neue Richtlinien der römischen Glaubenskongregation, wonach bei wahrscheinlichen pädophilen Verfehlungen von Priestern an Minderjährigen unter 18 Jahren eine Meldepflicht nach Rom besteht und man von dort aus das weitere Verfahren bestimmt. “Wenn ein Bischof auch nur vage Kenntnis von einer derartigen Straftat hat, muss er sie (...) an die Glaubenskongregation weitermelden», heißt es in einem Schreiben von Kardinal Joseph Ratzinger.

Frühjahr 2002
Bischof Krenn von St. Pölten (Österreich) übernimmt einen Priesteramtskandidaten aus der Erzdiözese München, der wegen pädophiler Neigungen dort nicht zur Weihe zugelassen wurde, und weiht ihn zum Diakon. Die Priesterweihe wird jedoch in letzter Minute von Rom untersagt. Bei dieser Gelegenheit fordert Bischof Krenn die Rehabilitierung von Kardinal Groër ein – die anderen Bischöfe schweigen dazu.

24. Februar 2002
Der Erzbischof von Posen (Poznan), Juliusz Paetz, soll jahrelang Priester und Seminaristen sexuell belästigt haben. Die “homosexuellen Neigungen” des 67-jährigen Bischofs seien seit mindestens zwei Jahren bekannt gewesen, doch alle Proteste ohne Reaktionen geblieben. Erst die persönliche Intervention des Papstes habe die Affäre ans Tageslicht gebracht. Der Beschuldigte weist die Vorwürfe von sich.

24. Februar 2002
Katholische Ordensgemeinschaften und die Regierung in Irland haben sich darauf geeinigt, die Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester und Ordensleute finanziell zu entschädigen. Man schätzt die Ansprüche insgesamt auf rund 500 Millionen Euro. Die Orden, die auch im Auftrag des Staates zahlreiche Kinderheime und Internate führen, beteiligen sich mit mehr als einem Viertel an den Zahlungen. Die Regierung hat im Gegenzug den geistlichen Gemeinschaften zugesagt, dass sie keine weitergehenden Schadensersatz Forderungen zulassen möchte. Man geht davon aus, dass ungefähr 3500 Betroffene die Entschädigungen beantragen werden.

14. März 2002
Gegen einen 38 Jahre alten Priester aus Holzwickede (Erzbistum Paderborn), dem vorgeworfen wird, einen 13 Jahre alten Jungen sexuell missbraucht zu haben, wird Anklage erhoben worden. Dies wird allerdings erst am 18. Juli 2002 der Öffentlichkeit durch den Dortmunder Oberstaatsanwalt bekannt gegeben.

21. März 2002
In seinem diesjährigen Gründonnerstagsbrief 2002 an die Priester hat Papst Johannes Paul II. die Verbrechen in den eigenen Reihen deutlicher als bisher angeprangert, doch nannte er den sexuellen Missbrauch nicht beim Namen.
“In dieser Zeit erschüttern uns als Priester zutiefst die Sünden einiger unserer Mitbrüder, welche die Gnade des Weihesakramentes verraten haben.” Diese hätten den “schlimmsten Ausformungen des unergründlichen Geheimnisses des Bösen in der Welt nachgegeben. ... Auf diese Weise entstehen schwerwiegende Skandale, die zur Folge haben, dass ein dunkler Schatten des Verdachts auf alle anderen verdienstvollen Priester fällt, die ihren Dienst ehrlich, konsequent und bisweilen mit heroischer Liebe ausüben”. Die Kirche bringe den “Opfern ihre Fürsorge zum Ausdruck” und biete ihre Kraft auf, “gemäß der Wahrheit und der Gerechtigkeit auf jede schmerzliche Situation zu reagieren”, schreibt der Papst. Er nennt allerdings keine konkreten Maßnahmen.

21. März 2002
In Frankreich machen Vorwürfe gegen den Pariser Weihbischof Jean-Michel Di Falco Schlagzeilen, der vor 30 Jahren einen Schüler sexuell missbraucht haben soll. Die Justiz teilt jedoch mit, ihre Ermittlungen eingestellt zu haben. Der Fall sei verjährt.


Pädophile Priester werden jetzt auch in Deutschland zum Thema

10. April 2002
Ein 40-jähriger Pfarrer aus Sandberg (Bayern) erstattet bei der Polizei Selbstanzeige, dass er einen Jungen sexuell missbraucht hat. Die Diözese Würzburg entbindet den Mann von seinen priesterlichen Pflichten mit sofortiger Wirkung und informiert die römischen Behörden - das erste Mal, das ein solcher Rapport an den Vatikan öffentlich bekannt wird.

11. April 2002
Der Münsteraner Bischof Reinhard Lettmann lässt auf Anfrage ausrichten, der DBK-Vorsitzende, Kardinal Karl Lehmann, habe alle Bistümer angeschrieben, sie sollten bis zur Sitzung des Ständigen Rates am 22. April keine Stellungnahmen zu dem Thema abgeben.
Die Bistümer Osnabrück und Berlin erklären, ein Fall werde dann nach Rom gemeldet, wenn er strafrechtliche Konsequenzen habe. Vorgekommen sei dies seit der Anweisung vor einem Jahr aber noch nicht.

11. April 2002
Zum ersten Mal fordert die Kirchenvolksbewegung “Wir sind Kirche” die deutschen Bischöfe auf, unverzüglich Ombuds-Stellen für durch Priester und Ordensleute sexuell Missbrauchte einzurichten.

11. April 2002
Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst kündigt für seine Diözese neue Regularien bei Missbrauchsfällen an, die noch vor der Sommerpause veröffentlicht werden sollen. Dieser Termin wird später auf September verschoben.

11. April 2002
Der Theologe und Psychologe Wunibald Müller erklärt, er sehe einen Nachholbedarf bei vielen deutschen Bistümern im Umgang mit dem Problem. So fehlten nationale Richtlinien und ein Meldesystem für Täter.

11. April 2002
Der irische Bischof Oliver Comiskey verzichtete auf sein Amt, nachdem er zugegeben hatte, einen Priester, der im verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern gestanden hatte, nicht sofort entlassen zu haben.

16. April 2002
Das Rücktrittsgesuch des Weihbischofs von Mainz, Franziskus Eisenbach, der eineinhalb Jahre zuvor mit dem Vorwurf des Missbrauchs eines seelsorgerischen Betreuungsverhältnisses konfrontiert wurde, wird vom Vatikan angekommen.


22. April 2002
dpa listet einige Fälle der vergangenen Jahre in Deutschland auf, die überregional Aufsehen erregt haben: Fälle von Kindesmissbrauch durch katholische Priester werden meistens erst bekannt, wenn sie strafrechtliche Konsequenzen haben.
1993: Ein 44 Jahre alter Pfarrer aus dem hessischen Kreis Bergstraße wird wegen sexueller Nötigung zweier Mädchen zu zwei Jahren Haft mit Bewährung verurteilt. Er soll zwei damals 14 und 16 Jahre alte Schwestern in vier Fällen missbraucht haben. Der Priester hatte die Taten vor Gericht gestanden.
1994: Ein Pfarrer aus Krefeld wird wegen sexuellen Missbrauchs an einem neunjährigen Jungen zu vier Jahren Haft verurteilt.
1995:
Gegen einen 44 Jahre alten Pfarrer aus Gilching bei München wird wegen des Besitzes von Kinderpornos auf Videokassetten ermittelt. Der Pfarrer wird vom Dienst suspendiert.
1995: Ein 67 Jahre alter Pfarrer aus Hildesheim wird in den Ruhestand versetzt. Er gab zu, sich an mehreren minderjährigen Jungen vergangen zu haben. Es gab kein kirchliches Gerichtsverfahren, da die Taten verjährt waren.
1996: Ein 47 Jahre alter Pfarrer von Wangen/Allgäu verzichtet nach Vorwürfen sexueller Verfehlungen auf sein Pfarramt. Das Ordinariat hatte ihn bereits beurlaubt. Ein Gerichtsverfahren wird eingestellt.
1996: Ein 65 Jahre alter katholischer Priester aus Haren im Emsland wird zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Der inzwischen pensionierte und in einem Kloster lebende Pfarrer soll sich acht Jahre lang in 225 Fällen an 14 Messdienern und Erstkommunikanten vergangen hatte.
1998: Ein 67 Jahre alter Pfarrer aus dem oberschwäbischen Bergatreute wird wegen sexuellen Missbrauchs zu neun Monaten Haft auf Bewährung und 5 000 Mark Geldstrafe verurteilt. Er soll im Religionsunterricht mehrfach die zehn bis zwölf Jahre alten Mädchen belästigt haben.
1999:
Ein 39 Jahre alter Pfarrer aus dem schwäbischen Ort Wald wird zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ihm wird sexueller Missbrauch in 59 Fällen vorgeworfen. Opfer waren zwei Jungen und ein Mädchen im Alter von elf bis 14 Jahren.
2000: Ein katholischer Pfarrer aus dem Landkreis Coburg wird wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der 60-Jährige soll sich an drei Jungen im Alter von neun und elf Jahren vergangen haben. Ein Vater hatte ihn im Weihnachtsgottesdienst des Missbrauchs seines Sohnes bezichtigt.
2000: Ein 45 Jahre alter Priester aus Südbaden wird wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt. Der Pater einer konservativen Bruderschaft hatte sich an zwei Jungen im Alter von sechs und acht Jahren sexuell vergangen und einen von ihnen zum Oralverkehr gezwungen.

22. April 2002
Die deutschen Bischöfe können sich im “Ständigen Ausschuss” der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) nicht auf einen national einheitlichen, schärferen kirchenrechtlichen Sanktionskatalog bei Fällen sexueller Verfehlungen von Geistlichen einigen. Kardinal Lehmann erklärt nach der Sitzung: “Die zuständige Kommission wird sich damit befassen, aber wir haben keine Eile damit.”

22. April 2002
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche fordert die deutschen Bischöfe auf, personell und organisatorisch unabhängige Ombuds-Stellen für durch Priester und Ordensleute sexuell missbrauchte Menschen einzurichten. Außerdem wird gefordert, unabhängig vom kirchlichen Disziplinarrecht in allen Verdachtsfällen die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten.

23. April 2002
Im Vatikan beginnt ein Krisengipfel zur Situation der Kirche in den USA, wo besonders viele Pädophilie-Fälle bekannt wurden. Der Papst hatte 13 Kardinäle kurzfristig nach Rom bestellt.
Im Mittelpunkt der Kritik steht der Kardinal von Boston, Bernard Francis Law. Ihm wird vorgeworfen, zwei beschuldigte Priester nicht ihrer Ämter enthoben, sondern nur strafversetzt zu haben. Law hatte eingewilligt, 30 Millionen Dollar an die Opfer eines bereits zu einer Haftstrafe verurteilten pädophilen Priesters zu zahlen. Auch der New Yorker Kardinal Edward Egan hat mögliches Fehlverhalten im Zusammenhang mit einem weiteren Missbrauchsskandal eingestanden.
In der Öffentlichkeit der USA wächst die Kritik an der katholischen Kirche. Drei von vier Befragten äußerten die Ansicht, die Kirche habe nicht angemessen auf die Fälle von sexuellem Missbrauch in ihren Reihen reagiert, wie eine Umfrage des Fernsehsenders ABC und der Zeitung “Washington Post” ergab. Zwei Drittel der Befragten waren der Ansicht, der Papst hätte früher und entschlossener gegen die sexuelle Gewalt an Kindern vorgehen müssen.

17. Mai 2002
Im Zuge des Sexskandals in der katholischen Kirche der USA hat sich ein zweiter Priester das Leben genommen. Der Mann war Ende April im Bundesstaat Connecticut aus dem Amt entfernt worden, nachdem vier Männer ihn beschuldigt hatten, sie als junge Messdiener sexuell missbraucht zu haben. Ein anderer Priester, gegen den ähnliche Vorwürfe erhoben worden waren, hatte sich Anfang April in Cleveland erschossen.

18. Mai 2002
Zur Diskussion über Kindesmissbrauch durch katholische Priester sagt Kardinal Meisner, in der Kirche dürfe es keinen Platz für Pädophile geben. “Wenn so etwas geschieht, kann man nur sehr radikal sagen: Der kann nicht in die Seelsorge. Ein Priester, der so etwas tut, hat bei uns keinen Platz.” Allerdings sei zuletzt eine “Kampagne” losgetreten worden. “Da ist der Kirche geschadet worden.”

3. Juni 2002
Der Erzbischof von Sydney, George Pell, weist Vorwürfe der beiden von einem Priester missbrauchten Frauen zurück, Schweigegeld angeboten zu haben. Er räumte zugleich ein, der Familie der beiden jungen Frauen umgerechnet 30.000 Euro als Entschädigung angeboten zu haben.

3. Juni 2002
Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, kündigt im Fernsehmagazin “Report” an, katholische Priester, die unter dem Verdacht des sexuellen Missbrauchs von Kindern stehen, sollen künftig nicht mehr von einer Pfarrei in die andere geschickt werden. “Die Schwere und die Unheilbarkeit von Pädophilie hat man erst in den letzten Jahren voll erkannt.” In der Vergangenheit seien auffällige Priester in andere Gemeinden versetzt worden. “Das darf man heute schlechthin nicht mehr machen. Da haben wir dazugelernt.” Pädophile Priester hätten dem pastoralen und pädagogischen Ansehen der Kirche einen “enormen Schaden” zugefügt. Das sei nur schwer wieder gutzumachen. – Die Fernsehsendung “Report” berichtet über einen länger zurückliegenden Fall des sexuellen Missbrauchs im Bistum Hildesheim.

6. Juni 2002
Die beiden führenden Erzbischöfe der katholischen Kirche in Australien, George Pell (Sydney) und Denis Hart (Melbourne) entschuldigen sich bei den Opfern und bei allen Australiern für die Verfehlungen und das durch sexuellen Missbrauch zugefügte Leid. Die Bischöfe betonen, völlige Offenheit und Transparenz sei stets ihr oberstes Ziel im Umgang mit den Opfern.

9. Juni 2002
Die katholische Kirche in den USA hat mehr Priester wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs entlassen als bisher bekannt gegeben.
Nach einer Studie der Zeitung “Washington Post” wurden 218 Priester im Jahr 2002 aus ihren Ämtern entfernt; 34 Beschuldigte würden jedoch weiterhin von der Kirche beschäftigt. Seit den frühen 60er Jahren sind mindestens 850 Priester des sexuellen Missbrauchs Jugendlicher oder Kinder beschuldigt worden. Über 350 habe die Kirche bereits vor dem Jahr 2002 entlassen. Nach Schätzungen von Anwälten der Opfer, die vor Gericht gezogen waren, hat die katholische Kirche inzwischen rund eine Milliarde Dollar an Entschädigungen gezahlt hat.
Für die Studie wurde alle 178 Diözesen der römisch-katholischen Kirche in den USA befragt: 82 Diözesen antworteten nicht trotz mehrmaliger Aufforderung. Insgesamt sollen seit Beginn der 60er Jahre mindestens 850 US-Priester der Pädophilie beschuldigt worden sein.

10. Juni 2002
Die australische Kirche hat offenbar doch Schweigegeld an die Opfer von sexuellem Missbrauch durch Geistliche gezahlt. Wie ein Vertreter des katholischen Anwaltsvereins mitteilt, enthielten Entschädigungsverträge entgegen der Anweisung der australischen Bischöfe entsprechende Klauseln. Bisher hatte die australische Kirche Schweigegeld-Zahlungen stets abgestritten, zuletzt in einer Reihe großformatiger Zeitungsanzeigen, mit denen sich die Kirche bei den Opfern entschuldigte.

14./15. Juni 2002
Die in Dallas (Texas) tagende Bischofskonferenz der USA ringt sich nach zweitägigen, kontroversen Diskussionen zu einer “Beinahe-Null-Toleranz”-Politik durch.
Mit 239 Stimmen bei 13 Gegen-Stimmen wird beschlossen, dass künftig jeder Priester, dem ein Fall von sexuellen Missbrauch von Kindern nachgewiesen wird, seiner Funktion enthoben wird. Einschränkend hieß es jedoch, dass pädophile Geistliche nicht notwendigerweise aus der Kirche ausgeschlossen werden müssten.
Nach der Entschließung können Geistliche, die sich an Minderjährigen sexuell vergehen, weiter Priester bleiben und in einer nicht öffentlichen Position innerhalb der Kirche beschäftigt werden. Sie dürfen öffentlich keine Messen mehr abhalten und würden nicht mehr mit Kindern in Kontakt kommen. In den einzelnen Diözesen würden die Bischöfe von Fall zu Fall entscheiden, ob Priester tatsächlich entlassen werden. Dabei sollen die Bischöfe künftig von Gremien beraten werden, die mehrheitlich aus Laien bestehen.
Außerdem ist vorgesehen, dass Bischöfe künftig jeden Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Geistliche der Polizei melden müssen und derartige Fälle nicht mehr vertraulich innerhalb der Kirche behandeln können. Die Entschließung von Dallas muss vom Vatikan in Rom genehmigt werden, bevor sie wirksam werden kann.
Vertreter der Opfer sexuellen Missbrauchs durch pädophile Priester verlangen dagegen auch Maßnahmen gegen Bischöfe, die wissentlich pädophile Priester weiter beschäftigt haben. Sie hatten eine so genannte “Zero Tolerance” verlangt, die durchgängige Entlassung aller Priester und Kirchenmitarbeiter, die sich an Minderjährigen vergangen haben. Außerdem wird aus Reihen der katholischen Kirche in den USA selbst der Ruf nach einer Beschneidung der Allmacht der Bischöfe und nach mehr Mitbestimmung für Laien laut. Die Machtstruktur der Kirche habe die furchtbaren Vorkommnisse begünstigt, meinten Kritiker.

14. Juni 2002
Die Diözese Omaha (Bundesstaat Nebraska) wird von einem Geschworenengericht zur Zahlung von 800 000 Dollar an einen früheren Ministranten verurteilt, an dem sich ein Priester vergangen hatte.

15. Juni 2002
Rund zwei Drittel der katholischen US-Bischöfe haben nach einer Studie der Zeitung “Dallas Morning News” Priester weiter beschäftigt, denen sexueller Missbrauch vorgeworfen wurde. Darunter auch die Mehrheit der acht Bischöfe, die das neue Positionspapier entworfen hat.

22. Juni 2002
Die katholische Kirche in Neuseeland hat 38 Fälle von sexuellem Missbrauch durch Priester und andere Kirchenvertreter in den vergangenen 50 Jahren eingeräumt.
Anfang der 90er Jahre eingesetzte Kommissionen hätten Klagen gegen Priester, Ordensleute und Laien geprüft. Kirchenvertreter, die sich des Missbrauchs schuldig machten, sollten aus dem Priesteramt entlassen werden, kündigte eine Kirchensprecherin an. Zudem sollten Pädophilie-Opfer ermutigt werden, bei der Polizei Anzeige zu erstatten. Zudem wolle die Kirche bestehende Vertraulichkeitsvereinbarungen aufheben, mit denen sich Missbrauchsopfer nach einer finanziellen Entschädigung in der Vergangenheit zum Stillschweigen verpflichtet hatten.

23. Juni 2002
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche startet das bundesweite Not-Telefon “Zypresse” für von Missbrauch durch Priester und Ordensleute betroffene Kinder und Jugendliche (Telefon 0180-3000862 oder E-Mail zypresse@wir-sind-kirche.de). Die deutschen Bischöfe werden erneut aufgefordert, unabhängige Ombudsstellen einzurichten.

24. Juni 2002
Im “Spiegel-Gespräch” erklärt der Vorsitzende der DBK, Kardinal Lehmann, “dass es ganz deutliche quantitative wie qualitative Unterschiede zwischen der Skandalwelle in den USA und dem Umgang mit der Frage in Deutschland gibt. Wir haben in Deutschland keine Skandalwelle wie in den USA. In meiner Diözese Mainz sind es in den 19 Jahren, in denen ich Bischof bin, insgesamt vielleicht drei oder vier Fälle gewesen. Eine bundesweite Übersicht gibt es nicht. ... Warum soll ich mir den Schuh der Amerikaner anziehen, wenn er mir nicht passt?”

14. Juli 2002
Radio Vatikan berichtet, dass die “Wir-sind-Kirche-Jugend” vom kommenden Weltjugendtag in Toronto klare Worte des Papstes zu den Missbrauchs-Skandalen erwartet.

Drei Monate nach dem Vatikan-Krisengipfel zu den Sex-Skandalen in den USA kommen auch in der katholischen Kirche in Deutschland zunehmend Verdachtsfälle von Kindesmissbrauch durch Priester ans Tageslicht.

14. Juli 2002
Das Bistum Mainz teilt in einer Presse-Erklärung mit, das Bistum hat nach Bekanntwerden von Pädophilie-Vorwürfen einen Priester im Bistum Mainz beurlaubt. Die Maßnahme gelte “bis zur Klärung der Vorwürfe” gegen den Geistlichen. Zudem seien die zuständige Staatsanwaltschaft sowie das Jugendamt eingeschaltet worden.

15. Juli 2002
Das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel” berichtet ausführlich von Missbrauchsfällen in den Bistümern Mainz und Aachen.

15. Juli 2002
In einem dpa-Gespräch vermutet die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche, dass die wenigen bisher bekannt gewordenen Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester nur die “Spitze des Eisbergs” seien, und fordert, die Fälle innerkirchlich wie strafrechtlich unnachgiebig zu verfolgen.

18. Juli 2002
Im Erzbistum Paderborn werden zwei Priester aus Holzwickede (Kreis Unna) und Schwerte wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern beurlaubt und von ihrem Wirkungsort abgezogen. Das Erzbistum bestätigt einen entsprechenden Bericht des Bielefelder “Westfalen-Blatts”. Einer der beiden Männer komme aus Holzwickede (Kreis Unna). Nach Angaben des Dortmunder Oberstaatsanwalts war bereits am 14. März dieses Jahres Anklage gegen den 38 Jahre alten Priester aus Holzwickede erhoben worden. Die in dem Zeitungsbericht genannten Vorwürfe gegen einen Priester aus Schwerte konnten aber weder Staatsanwaltschaft Dortmund noch die in Hagen bestätigen

18. Juli 2002
Das Bischöfliche Ordinariat Regensburg teilt mit, der Pfarrer von Neukirchen zu St. Christoph sei mit sofortiger Wirkung von der Seelsorge entbunden worden. Das Ordinariat war am 17. Juli 2002 am Mittwoch informiert worden, dass die Polizei wegen des Verdachts auf sexuellen Missbrauch von Kindern gegen den Geistlichen ermittle.

18. Juli 2002
Ein Priester aus dem Bistum Würzburg (Sandberg/ Bayern) wird wegen zweifachen sexuellen Missbrauchs eines Jungen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der 40-Jährige muss nach dem Urteil des Amtsgerichts Bad Neustadt/Saale ein Bußgeld von 2000 Euro zahlen. Derzeit befindet er sich in einer Therapie. Der Pfarrer werde auch nach Abschluss der laufenden Therapie nicht wieder in der “ordentlichen Seelsorge” eingesetzt, teilte die Vatikanische Glaubenskongregation mit. Während der mehrjährigen Behandlung bleibe der Priester suspendiert.

20. Juli 2002
Die Initiative Kirche von unten (IKvu) hält Kardinal Lehmann als Vorsitzender der DBK nicht mehr für tragbar, warnt aber gleichzeitig vor einem Generalverdacht gegenüber allen Priestern.
“Das Leugnen der Kenntnis einer Straftat ist nach Erweis des Gegenteils Grund genug für seinen Rücktritt - es kann nicht sein, dass Lehmann in seiner Eigenschaft als Vorsitzender der DBK von den zahlreichen Fällen keine Kenntnis hatte. In der Diözese Mainz und anderen betroffenen Diözesen wird zudem öffentlich zu diskutieren sein, ob dieses Verhalten zum Amt eines Diözesanbischofs passt.”

21. Juli 2002
In Boston, dem Bischofssitz von Kardinal Bernard Francis Law, kritisieren 4.000 Mitglieder der neu gegründeten Organisation “Voice of the Faithful” den Kindesmissbrauch durch katholische Priester und fordern Reformen in der katholischen Kirche. Aufgebrachte Demonstranten fordern vor dem Tagungsgebäude den sofortigen Rücktritt des Kardinals. der jahrelang Fälle von Kindesmissbrauch in seinem Amtsbereich vertuscht haben soll.

22. Juli 2002
In einem Beitrag für die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schreibt Kardinal Karl Lehmann unter der Überschrift “Die Kirche ist getroffen”:
“... Nüchtern betrachtet muss man wohl mit weiteren Enthüllungen dieser Art rechnen. Dies trifft die Kirche in diesem Land ähnlich wie in den Vereinigten Staaten ins Mark, auch wenn es hier um viel weniger Fälle geht. . ...
Einige Fälle sind neueren Datums. Aber die Medien stochern auch gerne in den letzten Jahren herum, um eine möglichst beeindruckende Liste derartiger Verfehlungen präsentieren zu können. Nicht selten geht man dabei wenig differenziert vor. ...
Die Erfahrung lehrt, dass das Umfeld solcher Fälle sehr verschieden sein kann. Manchmal kommen betroffene Kinder bzw. Jugendliche auch aus schwierigen Lebensverhältnissen. Seelsorge will gerade auch in schwierigen Situationen dieser Art helfen, manchmal vielleicht sogar etwas zu naiv, kann dadurch aber auch rasch selbst in Situationen der Gefährdung kommen. ...
In unseren vergleichsweise recht großen und personalintensiven Diözesen herrschte bisher die Überzeugung vor, man werde im eigenen Bereich schon selbst mit derartigen Problemen fertig. Es wächst nun jedoch über die einzelnen Diözesen hinaus das Bedürfnis nach Transparenz, Koordination und gemeinsamen Leitlinien der Prävention, Therapie und des Vorgehens. Auch die stärkere Einbeziehung externer Experten und Ansprechpartner wird empfohlen, zum Teil auf überdiözesaner Ebene. In anderen Ländern werden solche neuen Wege teilweise bereits begangen; auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz werden sie derzeit gerade geprüft. Zudem gibt es seit 1.1.2002 neue Richtlinien der römischen Glaubenskongregation, wonach bei wahrscheinlichen pädophilen Verfehlungen von Priestern an Minderjährigen unter 18 Jahren eine Meldepflicht nach Rom besteht und man von dort aus das weitere Verfahren bestimmt. Auch darum besteht bei uns neuer Bedarf an Koordinierung. Ich wäre persönlich erleichtert, wenn in unserer Bischofskonferenz sobald wie möglich entsprechende Übereinstimmung erzielt und Beschlüsse gefasst werden könnten.”

Ende Juli 2002
In einem Antwortschreiben auf Anfragen im Zusammenhang von Beschuldigungen gegen einen Pfarrer des Bistums wegen sexueller Übergriffe auf Minderjährige schreibt der Bischof von Mainz Karl Kardinal Lehmann: “... ich stehe unmittelbar vor der Abreise zum Weltjugendtreffen in Toronto, wo ich aus vielen Gründen anwesend sein muss. Nach meiner Rückkehr habe ich seit Monaten meinen Urlaub gebucht, den ich auch nicht verschieben kann. ...”

22. Juli 2002
Der Essener Weihbischof Grave stellt in einer Pressekonferenz einen 22 Jahre zurück liegenden Fall vor und räumt Fehler ein. Der geständige Priester sei inzwischen in den einstweiligen Ruhestand versetzt worden. Von den 18.000 katholischen Priestern in Deutschland liegt nach Schätzungen von Grave die Zahl der Priester mit pädophilen Neigungen bei 200 bis 300, also etwa 2 Prozent.

23. Juli 2002
Das Bistum Limburg begrüßt den Vorschlag von Kardinal Lehmann für ein gemeinsames Vorgehen.

23. Juli 2002
Der Trierer Bischof Reinhard Marx erklärt, dass “man in den vergangenen Jahrzehnten die Problematik nicht so gesehen hat und vielleicht auch nicht so sehen wollte”. Von Fällen im Bistum Trier sei ihm aber nichts bekannt.

24. Juli 2002
Bischof Gebhard Fürst erklärt in einem KNA-Gespräch, dass die für vor der Sommerpause angekündigten Regularien für Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester im September 2002 erlassen werden sollen.

24. Juli 2002
Der Sprecher des Bistums Rottenburg-Stuttgart bestätigt, dass die Staatsanwalt seit fast einem halben Jahr gegen einen Priester aus dem Kreis Böblingen ermittele. Der Priester sei seit Februar beurlaubt.

24. Juli 2002
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche fordert die katholischen deutschen Bischöfe dazu auf, unverzüglich alle Verdachtsfälle in ihren Diözesen zu überprüfen, da zu befürchten sei, dass in der Vergangenheit die Schwere des sexuellen Missbrauchs nicht ernst genug genommen wurde und deshalb nicht die erforderlichen strafrechtlichen und disziplinarischen Maßnahmen ergriffen worden seien

25. Juli 2002
Der Pressesprecher des Erzbistums Berlin erklärt gegenüber Inforadio Berlin-Brandenburg, dass es in diesem Bistum keine Fälle sexuellen Missbrauchs gebe.

25. Juli 2002
Das Bistum Hildesheim erklärt in einer Pressekonferenz, es sei ein Fehler gewesen, dass die Kirche in der Vergangenheit nicht sofort die Staatsanwaltschaft informiert habe. Auch sei es falsch gewesen, dass die Täter nicht unverzüglich in eine Therapie geschickt wurden. Dem Leiter der Hauptabteilung Personal/Seelsorge sind aus den zurückliegenden 20 Jahren fünf bis sechs Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern durch Priester bekannt. Bereits seit längerer Zeit gebe es Überlegungen, sowohl eine Anlaufstelle für gefährdete Priester zu schaffen als auch eine kirchenunabhängige Einrichtung, an die sich die Opfer wenden können. Über das Planungsstadium kam dieses so genannte Hildesheimer Modell bisher aber nicht hinaus.

Juli 2002
Der Generalvikar des Bistums Osnabrück, Theo Paul, fordert gemeinsame Leitlinien im Umgang mit pädophilen Priestern in allen deutschen Diözesen.

26. Juli 2002
Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, räumt Fehler der Kirche beim Umgang mit dem Problem des sexuellen Missbrauchs ein.
Sie habe diesem Aspekt in der Vergangenheit nicht genügend Beachtung geschenkt. Jetzt müsse entschiedener vorgegangen werden. Zugleich betonte Meyer, dass er eine Entschuldigung der gesamten Kirche nicht für notwendig hält. “Menschen haben sich an Priester gewandt und die haben versagt. Man kann nicht sagen, die Kirche hat versagt.” Auch beim Versagen eines Lehrers könne sich nicht der gesamte Staat entschuldigen. “Jeder steht für seine eigene Schuld.”

28. Juli 2002
Der Vorsitzende der DBK, Kardinal Karl Lehmann, begrüßt die Stellungnahme von Papst Johannes Paul II. zu den jüngsten Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche. Lehmann kündigt an, die Vollversammlung der Bischöfe werde am 23. September intensiv über Vorschläge der eingesetzten Arbeitsgruppe beraten. Die öffentliche Debatte habe gezeigt, “dass wir uns noch mehr abstimmen und das Vorgehen koordinieren müssen.”

28. Juli 2002
Obwohl dies nicht erwartet war, hat Papst Johannes Paul II. im Abschlussgottesdienst des Weltjugendtages in Toronto (Kanada) “Traurigkeit und Scham” über die Pädophilie-Skandale in der katholischen Kirche ausgedrückt. Allerdings verwendete er nicht ausdrücklich den Begriff des sexuellen Kindesmissbrauchs.
“Das Leid, das einige Priester und Religiöse jungen und verletzlichen Menschen angetan haben, erfüllt uns mit einem tiefen Gefühl von Traurigkeit und Scham.” Dennoch dürften die Gläubigen sich nicht von den Verfehlungen einzelner Geistlicher entmutigen lassen, betonte der Papst.

Ende Juli 2002
Sydneys Erzbischof George Pell hat nach Medienberichten auf dem Weltjugendtag in Toronto erklärt: Abtreibung sei ein schlimmerer moralischer Skandal als der sexuelle Missbrauch von Kindern. Politiker und Kinderschutz-Beauftragte Australiens fordern seither eine staatliche australische Untersuchungskommission zum Missbrauch von Jugendlichen in der katholischen Kirche.

31. Juli 2002
In einem Brief an alle 27 Ortsbischöfe sowie an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz hat die KirchenVolksBewegung Ende Juli einen präzisen Handlungskatalog formuliert.
Nach Ansicht der KirchenVolksBewegung reichen die vom Vatikan an die Deutsche Bischofskonferenz gerichteten Empfehlungen (einheitliche Regelungen in allen Bistümern sowie Strafanzeige und sofortige Beurlaubung bei begründetem Verdacht) nicht aus, den bisherigen Opfern des sexuellen Missbrauchs Gerechtigkeit widerfahren zu lassen und künftige Straftaten in diesem Bereich auszuschließen.

4. August 2002
Das Erzbistum Freiburg spricht sich für gemeinsame Leitlinien der deutschen Diözesen im Umgang mit pädophilien Priestern aus.

6. August 2002
Papst Johannes Paul II. schreibt in einem Brief anlässlich der 120. Jahresversammlung der Kolumbusritter im kalifornischen Anaheim, die Kirche in den Vereinigten Staaten befinde sich gegenwärtig in einer “Zeit schmerzhafter Reinigung und großer Leiden”.

6. August 2002
Das Bistum Augsburg räumt ein, mit Tätern und Opfern sexuellen Missbrauchs “aus heutiger Sicht” nicht immer angemessen umgegangen zu sein. In den vergangenen Jahren habe es auch in der Diözese einzelne Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Priester gegeben. Derzeit seien keine laufenden Ermittlungen bekannt. Das Bistum wünscht sich künftig ein gemeinsames Vorgehen der deutschen Diözesen.

16. August 2002
Auch die evangelische Kirche sieht sich zunehmend mit Fällen von Verdacht auf sexuellen Missbrauch in den Reihen ihrer Mitarbeiter konfrontiert. Im Fall eines Diakons hat die Staatsanwaltschaft Hannover Anklage gegen einen geständigen Diakon erhoben, dem Missbrauch in 17 Fällen angelastet wird.
In Hamburg wurde ein Kantor wegen des Verdachts der sexuellen Belästigung dreijähriger Kinder vom Dienst suspendiert.

17. August 2002
Der Vatikan überprüft, ob die Richtlinien der US-Bischöfe zum Umgang mit Priestern, die sich des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen schuldig gemacht haben, im Widerspruch zum Kirchenrecht steht.

20. August 2002
Der Erzbischof von Sydney, George Pell, hat nach Missbrauchsvorwürfen sein Amt vorübergehend niedergelegt. Ihm wird angelastet, als Priesteranwärter in der Erzdiözese Melbourne einen Zwölfjährigen sexuell belästigt zu haben. Pell wies die Anschuldigungen als “Verleumdung” zurück. Die Vorwürfe sollen jetzt von einem früheren Richter am Obersten Gericht untersucht werden.

26. August 2002
Anlässlich des “Ständigen Rates” der katholischen Bischofskonferenz, der sich am in Würzburg mit Regelungen gegen den sexuellen Missbrauch befassen wird, veranstaltet fordert die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche von den deutschen Bischöfen “Null-Toleranz” gegenüber sexuellem Missbrauch. Wir sind Kirche veranstaltet gemeinsam mit anderen Initiativen eine Mahnwache vor dem Exerzitienhaus Himmelspforten.

23. - 26. September 2002
Auf der Herbstvollversammlung der deutschen Bischofskonferenz in Fulda wollen die Bischöfe über gemeinsame Leitlinien der Prävention, der Aufarbeitung und des Vorgehens gegen pädophile Priester entscheiden. Die Initiative Kirche von unten hat zu gewaltfreien Protesten aufgerufen.

Zusammenstellung: Katja Berens / Ingrid Thurner / Christian Weisner (25. August 2002)

»Wir sind Kirche« c/o Christian Weisner
Hildesheimer Straße 103 - D-30173 Hannover
Tel.: (0511) 80 00 10 - Fax: (0511) 988 60 50
eMail: info@wir-sind-kirche.de - Internet: www.wir-sind-kirche.de

Bundesweites Spendenkonto: »Wir sind Kirche Förderverein e.V.« Konto 18 222 000 Darlehnskasse Münster e.G. (BLZ 400 602 65)
Der Förderverein ist vom Finanzamt Recklinghausen unter der Nummer 340/5837/0645 als steuerbegünstigter kirchlicher Verein anerkannt.

Das IKvu-Special “Sexueller Missbrauch in der Kirche” im Internet (www.ikvu.de) enthält u.a. eine vollständige Auflistung der Stellungnahmen und Hilfsangebote deutscher Bistümer, Literaturtipps, zahlreiche Links und weitere Informationen.