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Veröffentlicht am 25­.05.2006

Katholikentag 2006

Fr. Pablo Zabala OP in Cuzco/ Perú

Prophetisches Zeugnis – Ausgegrenzt!

Beim 96. katholischen Kirchentag habe ich zwei Dominikaner-Fratres kennengelernt, von denen der hier beschriebene Pablo wie aus einem Guß gemacht ist: bei ihm stimmen Glaube und Tun überein. Er spekuliert nur mäßig mit Metaphysischem und Religiösem, er drückt sich hauptsächlich als Karma Yogi aus, und er handelt nach dem Vers von Kästner „Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es“, oder der Devise von Vater Werner „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert“, oder nach der peruanischen Lieblingsaufforderung „Obras y no palabras“. Er ermüdet selten, und das ist auch ein Zeichen dafür, daß er mit sich selbst im Einklang ist, daß seine Reibungsverluste gering sind.

Pablo Zabala ist pflegeleicht. Er ist ein Priester ohne Gehabe und zum Anfassen, keiner fürchtet ihn. Da er, wie Vinoba, schon vor der Pubertät sich zur Enthaltsamkeit entschlossen hat, kennt er nicht die „Leidenschaft, die Leiden schafft“, und kann sich selbstsicher unter seinem großen weiblichen Gefolge bewegen, das ihn fast anhimmelt. Dabei ist er nicht weltfremd.

Beide Fratres wissen, daß äußerster Mut und Einsatz von allergrößtem Wert sind; bei Pablo heißt diese Eigenschaft auf Spanisch-Katholisch „quiero ser mártir“.

Pablo und Amando sind die beiden Domínicos, und dieser Orden widmet sich praktischen Zielen. Die Brüder bzw. Fratres oder auf Spanisch „Frailes“, sind besitzlos: so kamen Pablo und Amando von Bilbao nach Saarbrücken, nur mit einem Sack über der Schulter, nach einer 15-stündigen beschwerlichen Busfahrt, um €290 (?) zu sparen. Besitzlose stellen sich leichter auf Neues ein, weil sie das Alte rechtzeitig vergehen lassen.

Nun sehen sie zum ersten Mal einen für sie riesigen Kirchentag. „In Spanien wäre das nicht möglich“. In Spanien war die Kirche allmächtig, aber heute lösen Ordenstrachten gar keine Begeisterung mehr aus. Die Funken, die in Deutschland die beiden großen Kirchen (they keep each other on their toes) in ihren theologischen Diskussionen schlagen, fehlen in Spanien. Erstaunt erblicken die Besucher die Vielfalt der Anliegen des deutschen katholischen Kirchenvolkes „von unten“....

Zum Beispiel haben den Berichtenden beeindruckt die Betreuerinnen am Stand der (Ehe-) Frauen römisch-katholischen Priester. Eine Amtsenthebung wird erst dann fällig, wenn das Verhältnis vom „Sünder“ trotzig öffentlich gemacht wird. Konkubinen dürfen die Geistlichen haben, Hauptsache heimlich. Die Leid tragenden Kinder müssen versteckt werden!!. Und aus dieser zölibatären Verdrehtheit entstanden die 160 Fälle von Kinderschändung allein in Kalifornien. Ich singe das Lob der Altkatholiken (Liberal Catholics) und der Orthodoxen, deren Priester verheiratet sein dürfen. Unsere Katholiken bend over backwards. O dear. Goodness me. Good gracious.

Aus Cuszco/Perú wurde unser Padre Pablo Zabala wegen seines Seelsorgestils schließlich des Landes verwiesen. Er pflegte mit den Gemeindegliedern mehr zu reden und die ewigen Lehren gesprächsweise, also in kleinen Dosen mitzuteilen, weniger von der Kanzel. Das Partizipieren, das Begleiten, war ihnen mehr wert als eine wegen ihrer Durchgestyltheit imponierende 20-Minuten-Predigt. Sie wollen die horizontalere, die geschwisterliche Kirche, die das Vatikanische Konzil vorgestellt hat.

„Padre Pablo“ ist ein Unikat. Er anerkennt lachend die Möglichkeit, dass er die Wiederverkörperung eines alten Sonnenpriesters sei, ich füge hinzu: eines Lama. Aber das ist keine Erkenntnis, die ihn weiterbringt, und gottseidank entspricht es nicht seiner Natur, weiter zu spekulieren. Pablo explodiert mit heiteren Anspielungen, er hat Witze parat, die er als konkrete Begleitung der Lebensaufgaben achtsam und im rechten Augenblick aus dem Ärmel zieht.

„Ich will mich so verhalten, daß meine Kirchenbesucher auch gerne wieder zurückkommen“= que marchen de la Iglesia con ganas de volver“.

Er kam 1998 mit „Privilegien“ aus dem Dschungel Perus nach Cuzco, und deshalb beneidete ihn der erz-konservative Erzbischof, aber es missbilligten ihn die armen lokalen Priester, die von den Gebühren für Taufe und Trauung leben müssen. Eine Trauung (400 Soles=) kostet viel mehr als der Monatslohn eines Lehrers; eine Taufe (30 Soles=) kostet das Einkommen von drei Tagen eines Taxifahrers: in Europa sind solche Gebühren leicht in einem Tag zu erwirtschaften. Er verdirbt ihnen das Geschäft, er wildert in ihrem Revier, er vollzieht die wegen der Staatskirchlichkeit fast unumgänglichen Taufen und die oft ersparbaren kirchlichen Eheschließungen zu Dumpingpreisen und unterbietet darin die einheimischen Priester, die doch diese ihre einzigen Einnahmen bitter brauchen. Das Volk zieht Fr. Pablos Kirche vor: wer nicht zahlen kann, dem stundet er die Gebühr.. Warum kann er sich solche Preisnachlässe leisten? Er verkauft die heiligen Handlungen billiger, weil er von seiner Heimat im Ausland Spenden bekommt und sein (übrigens sehr bescheidener) Lebensunterhalt aus Spanien bestritten wird. Seine Rechtfertigung lautet: „Die Gnade wird uns umsonst geschenkt, ich verkaufe sie nicht“.

Die sogenannte Befreiungstheologie lernte er spät kennen. Sie verläuft parallel zu seiner eigenen, originellen Auslegung des Christentums. Hier am Kirchentag gibt es für Pablo glücklicherweise dieses Schubfach. Professor Dr. Johannes Brosseder, Systematischer Theologie in Köln, der auch über die Befreiungstheologie Vorlesungen hält, unterstützt ihn gerne.

Bekannt ist die Tragikomödie seiner Ausweisung. Unser Fr. Pablo hatte grundstürzende Reformen durchgeführt: der Schutt aus der Kirche wird in gemeinsamer Arbeit entfernt, alte Heiligenbilder werden wieder auf Hochglanz gebracht, das Einzugsgebiet wird bis auf 3600 m Höhe erhöht, das früher vor sich hingammelnde Gemeindeleben wird erfrischt durch die Erweiterung der Öffnungszeiten des Gotteshauses auf 24 Stunden; die Dominikaner wohnen nunmehr auf dem Kirchengelände und nicht mehr in ihrem Kloster, wodurch sie rund um die Uhr erreichbar sind; Hilfsgüter kommen in Containern von Spanien und Geld wird durch Verkäufe verfügbar, etc etc.

Der Klerus wird aufmerksam, die Obrigkeit wird neidisch. Da hatte man doch die Schäfchen abgerichtet, die jährliche Fronleichnamsprozession mit grossem Gepränge durchzuführen, und dies als Höhepunkt der jährlichen Frömmigkeit. Nun kommt dieser junge Mann und praktiziert partizipatives Gemeindeleben, wo alle Gemeindeglieder gleich wichtig bei Entscheidungen sind. Die kircheninterne Nichtanerkennung seines partizipativen Stils, ja die Verfolgung seitens der Hierarchie, siegt letztlich. Denn Pablos Kirche San Cristobal, die während seiner vier Jahre in Cuzco brechend voll war, steht seit 2001 wieder leer. Sie öffnet gerade noch am Sonntag für eine Messe. Wenige Gläubige gehen noch hin. Dafür hofft die Bevölkerung geradezu inbrünstig auf Pablos Wiederkehr. Eine solche Wiederkehr liegt in den Händen der Obrigkeit, die im Sinne der Loge Opus Dei handelt, und ist somit unwahrscheinlich.

Dieser 1947 geborene Geistliche hat sich weit aus dem Fenster gelehnt, er hat sich vorgewagt. Er ist zum Beispiel am Ende des befahrbaren Weges noch weitere drei Stunden zu Fuß zu 3.600 m Höhe aufgestiegen und hat die dortige Bevölkerung überhaupt entdeckt. Dort oben hat er drei Kapellen gebaut. Dorthin sind offizielle Priester schon lange nicht mehr gekommen, obwohl Perú auch im Hochland offiziell katholisch ist. Es herrscht auch in Peru akuter Priestermangel, und für die Hälfte der Priester muß man Ausländer ins Land holen. Die evangelischen Freikirchen rücken nach, sie betreuen schon 85% der Bevölkerung, und über der Tür einer von Pablo dort oben erbauten Kapelle prangt jetzt die Inschrift „Iglesia Adventista“. Pablo ist zwar katholisch, aber er findet die so genannten „Sekten“ prinzipiell auch lieb und wert- die eine mehr, die andre weniger. Er ist tolerant und liberal. Sogar tibetischen Lamas, die vor dem Besuch des Dalai Lama kamen, hat er die Kommunion angeboten.

Nicht nur einmal kamen hocherfreute Damen auf uns zu, wenn sie den grauen Vollbart unseres Neulings aus Spanien, den wir der Öffentlichkeit vorstellten, erspähten, weil sie wähnten, den berühmten Benediktiner Anselm Grün, Buchautor und Lebensberater, vor sich zu sehen…Aber sie hätten schon an der (schwarz-) weißen Kutte den Dominikaner erkennen können, daß der’s nicht ist. Pablo Zabala ist Frater, also „Bruder“, nicht Pater, wenn auch mit priesterlichen Aufgaben. Fratres bekommen als Nicht-Pfarrer kein staatliches Gehalt.

Fr. Pablo bezog früher ein (allerdings nicht regelmäßig eintreffendes) staatliches Gehalt als Direktor einer von ihm gegründeten Schule im Urwald. Er lehrte selbst Biologie (die er studiert hat), Mathematik, Chemie, Physik. In seiner Schule waren alle eine einzige Arbeitsgemeinschaft. Fr. Pablos Vater war Bauer gewesen. So wie bei der Basic National Education nach Gandhi gehörte selbstversorgende Arbeit zum Unterricht: drei Stunden arbeiten die Schüler im Schulgarten oder bei den Hühnern oder halfen beim Kochen, drei Stunden widmen sie sich dem Frontalunterricht. Für Strebsamkeit und gutes Betragen erhielten sie 10 Soles. Die Urwaldindianer haben ja keinerlei Geld, sie können nicht zahlen, also war Selbstversorgung eine schulische Grundvoraussetzung.

Pablo Zabalas Pädagogik heißt „Mitleben, Vormachen“. Er vermittelt nicht nur das himmlische Heil, sondern auch das Irdische. Das verwirrte die Staatskirche, der es im 2. Versuch gelang, ihn mit Polizeigewalt zu entfernen.

Zuerst verwarnte ihn der Erzbischof, an dessen Tür ein Schild prangt: „Sprechstunde 9 bis 10 nur Dienstag. Weitere Versuche zwecklos“. Das Gespräch verweigerte er Padre Pablo. Er entzog ihm mitten im Zyklus die Seelsorgelizenz und Pablo, gehorsam, begab sich, nach tränenreichem Abschied, zum Flugplatz. Dorthin folgten ihm aber seine Pfarrkinder und trugen ihn auf den Schultern zurück in die Pfarrkirche, die sie verbarrikadierten. Der Erzbischof musste ihm seine Zeit verlängern, setzte ihm aber einen anderen Pfarrer vor die Nase. Dieser Erste Pfarrer (und „Schlichter“) Amando ließ sich aber von der „Befreiungstheologie“ überzeugen und so ging des Erzbischofs Schuß nach hinten los. Als die Zeit wirklich abgelaufen war, versuchte das Kirchenvolk noch einmal, seinen Pfarrer durch ein Sit-In rund um das Kirchengebäude festzuhalten, doch der Erzbischof sandte zwei Lastwagen voll Polizisten, die schließlich durch das Dach eindrangen und die fürsorgliche Belagerung gewaltsam beendeten.

Fr. Pablo tritt nicht aus der römisch-katholischen Kirche aus, er ging gehorsam zurück nach Spanien. Sein spanischer Mitpfarrer Fr. Amando Herrán wurde vorübergehend nach Jerusalem verbannt. Pater Pablo Zabalas frischer Seelsorgestil machte dem Kirchenvolk „von unten“ die Lehren des Vatikanischen Konzils II glaubhaft.


Kontakt:

Fr. Zabala Martínez OP und Fr. Amando Herranz Angulo OP
montesclaros.es(at)dominicos.org

Ute Boewen, in Cuzco wohlbewandert, bündelt die sehnsüchtigen Bemühungen seiner Pfarrkinder, ihn nach Cuzco zurückzuholen.
nusta.ute(at)web.de

Konrad Borst (Übersetzungen)
Konrad.Borst(at)t-online.de

Zuletzt geändert am 17­.07.2008