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Veröffentlicht am 06­.11.2011

6.11.2011 - Der Pilger

Leserbrief zu „Umfrage: US-Katholiken rücken von Glaubensprinzipien ab“ im Pilger vom 30. Oktober 2011, S. 4:

Schade, dass man in der Meldung nichts darüber erfährt, von welchen Glaubensprinzipien US-amerikanische Katholiken abrücken. Es könnten ja sehr verschiedene sein. Ich vermute aber, dass es sich insbesondere um Glaubensprinzipien handelt, die mit der katholischen Sexualmoral zusammenhängen. Bekanntlich werden die offiziellen Verlautbarungen der katholischen Kirche zur Wiederverheiratung Geschiedener, zur Empfängnisverhütung, zum vorehelichen Geschlechtsverkehr, zur Homosexualität, zur Onanie etc. in den USA ebenso in Frage gestellt wie in Westeuropa und anderswo.

Als ich vor fünfzig Jahren zwei Semester in den USA studierte, hatten amerikanische Katholiken vielfach Probleme mit der Unfehlbarkeit des Papstes. Dieses Dogma erschien vielen Katholiken ziemlich unsinnig. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass sich diese Überzeugung sogar noch verfestigt hat und dass dies wesentlich zu dem Autoritätsverlust des Vatikans beigetragen hat, der in der Umfrage festgestellt wird.

Wenn, wie die Umfrage im Kern ergeben hat, US-amerikanische Katholiken Zweifel an der Glaubenslehre ihrer Kirche mit einer grundsätzlichen Loyalität gegenüber dieser ihrer Kirche für vereinbar halten, dann spricht das sicherlich für die Kirchentreue der amerikanischen Katholiken. Bei uns dürfte das ähnlich sein. Meines Erachtens sollte man sich aber nicht täuschen: Zweifel an der Glaubenslehre können ein wichtiger erster Schritt zur Trennung von der Kirche sein. Sie lockern sicherlich auf längere Sicht die Kirchenbindung. Was ist wohl verantwortlich dafür, dass in den letzten fünfzig Jahren der Anteil der Katholiken an der Gesamtzahl der Christen weltweit von über 60 Prozent auf nun knapp 50 Prozent zurückgegangen ist? Wahrscheinlich vor allem Zweifel an der Glaubenslehre.

Dr. Rudolf Walter
Heidelberger Ring 8 B
67227 Frankenthal

Zuletzt geändert am 07­.11.2011