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Veröffentlicht am 19­.10.2012

19.10.2012 - Frankfurter Rundschau

Reformerwollen andere Kirche

Fast 1000 Katholiken beginnen Kongress mit einer traurigen Bestandsaufnahme

Von Katharina Sperber

Ist diese Kirche noch zu retten?“, fragt der Theologe Hans Küng am Donnerstagabend in der voll besetzten Paulskirche. Eine eher rhetorische Frage vor mehr als 920 reformhungrigen Katholiken, die sich zur Eröffnung ihrer Konziliaren Versammlung hier versammelt haben. Sie allewollen eine andere Kirche, eine die „die Zeichen der Zeit erkennt und ihnen mit Hoffnung und Widerstand begegnet“, sagt einer der Gastgeber, der Arbeiterpriester Thomas Schmidt.

Das Mittelalter lebt

Bis zum Sonntag tagen rund 500 Teilnehmer des Kongresses im Haus Gallus und in einigen Gemeinden im Stadtteil, um in Workshops oder mit Aktionen, wie einer Demonstration vor der Deutschen Bank am heutigen Freitag, auszuloten, wie eine katholische Kirche aussehen könnte, die auf der Höhe der heutigen Zeit ist.

Der Kirchenrebell Küng, der wie der heutige Papst 1962 beim II. Vatikanischen Konzil in Rom mitgearbeitet hat, und dem 1979 vom Vatikan die Lehrerlaubnis entzogen wurde, gibt eine für die Kirche verheerende Antwort auf seine Frage: Die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche habe einen Tiefpunkt erreicht. Sie sei gelähmt von Skandalen und könne kaum mehr verständlich ihren Glauben erklären. Streng diagnostiziert Küng den Grund für den Niedergang.

Schon das Konzil vor 50 Jahren, das bis heute alsAufbruch der katholischen Kirche in die Moderne gilt, sei nicht konsequent genug gewesen. Der mittelalterliche Absolutismus, schon im 11. Jahrhundert begründet, habe nicht wirklich abgeschafft werden können. Der Klerus habe durch Ausweichen und Tricksereien seine Privilegien retten können. Und das Postulat des Konzils, die Kirche müsse eine Kirche der Armen sein, habe sich nicht durchsetzen können.

Kann der Frankfurter Kongress Anstoß sein, die in den 1960er Jahren auf halbenWeg stehen gebliebene Reform fortzuführen? Das wird der 88-jährige italienische Bischof Luigi Bettazzi gefragt. Auch er war beim Konzil in Rom dabei gewesen und hatte dort mit 41 anderen Bischöfen aus aller Welt den sogenannten Katakombenpakt unterzeichnet. Das war eine Erklärung für eine solidarische Kirche, die für die Unterdrückten spricht und nicht mit Reichtum protzt. „Wir verpflichteten uns, keine Luxustransportmittel zu benutzen und nicht in Palästen zu wohnen“, erzählt Bettazzi. Und wenn sich jetzt die Bischofssynode in Rom frage, wie sie den christlichen Glauben auch in den modernen, westlichen Gesellschaften wieder attraktiv machen kann, dann solle sie sich „für eine einfachere, ärmere Kirche“ entscheiden. Die Kirche gehöre zwar allen, aber vor allem gehöre sie den Armen, fügt er hinzu. Der Klerus müsse „dem Volk Gottes“ dienen und nicht umgekehrt.

Deutsche Bischöfe fehlen

So sehen es auch die 30 Reformgruppen, die den Kongress einberufen haben. Und somit verstehen sie sich auch als Erben des Konzils und vor allem des Katakombenpaktes. Und hoffen, dass von der Versammlung neue Impulse ausgehen. Zu viele Katholiken litten an ihrer Kirche, sagt Christian Weisner von der Kirchenvolksbewegung. Mehr als 80 Prozent der Katholiken stünden hinter den Reformgruppen. Sie hätten die Hand zur Amtskirche ausgestreckt und alle 27 deutschen Bischöfe oder deren Vertreter eingeladen. Nur sechs hätten überhaupt geantwortet, um sich zu entschuldigen: Sie müssten nach Romzur Bischofssynode reisen.

Zuletzt geändert am 15­.11.2012