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Veröffentlicht am 04­.05.2010

4.5.2010 - Süddeutsche Zeitung

„Jeder Austritt schwächt die Reformkräfte“

Katholische Laien üben Kritik

Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ spricht in Ottobrunn über notwendige Veränderungen

Von Iris Hilberth

Ottobrunn - Es ist nicht mehr nur Unmut gewesen, der sich da am Wochenende im Pfarrsaal von St. Magdalena in Ottobrunn gegen die Oberen der katholischen Kirche entladen hat. Von Streik der Ehrenamtlichen war die Rede, von Demonstrationen vor dem Bischofspalais, von Kirchenaustritt und davon, doch mal Transparency International auf die katholische Kirche anzusetzen.

Wenn auch mancher bei der Diskussion darüber, welche Art von Reformen die Kirche brauche, „Stille und Ehrfurcht“ einforderte, so war doch die Mehrheit dafür, endlich „Tacheles zu reden“. Es herrscht eine „revolutionäre Stimmung“, brachte es ein Teilnehmer auf den Punkt. Und dafür stehen die Ottobrunner Katholiken in diesen Tagen beileibe nicht alleine.

Christian Weisner von der Kirchen-Volks-Bewegung „Wir sind Kirche“ berichtet von einer vergleichbaren Gefühlslage unter den katholischen Laien allerorts. Mit Spannung blickt er Richtung Ökumenischer Kirchentag, der am Mittwoch, 12. Mai, in München beginnt. Weisner rechnet mit weiteren Protesten und mutmaßt: „Da könnte der Kirchenleitung einiges um die Ohren fliegen.“

Weisner erinnerte bei der Abendveranstaltung in Ottobrunn auf Einladung des Pfarrgemeinderats von St. Magdalena an die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils. Fast 50 Jahre ist es her, dass die Reformen angestoßen werden sollten. „Das Konzil ist fast so alt wie die Pfarrgemeinde Magdalena“, betonte Pfarrgemeinderatsvorsitzender Günter Dependahl und bedauert zugleich: „Passiert ist seitdem nicht viel.“ Weder in der Ausklammerung des Zölibats noch in der Frauenfrage, weder im Zentralismus noch in der Ambivalenz der Konzilstexte habe sich etwas geändert, so Weisner. „Es gibt verbale Tendenzen und einen Trend zur Wiederherstellung des Status quo vor dem Konzil“, sagt er.

Doch Weisner findet auch: „Die gegenwärtig tiefe Krise bietet auch eine einmalige Chance, den Kern des Christentums, den Kern des Katholischen neu zu entdecken und zu gestalten.“ Immer mehr Katholiken werde bewusst, dass die klerikal-hierarchische Kirchenstruktur schon lange ihre Autorität verloren habe und nicht länger die Gestalt der Kirche bestimmen könne. „Vieles in der katholischen Kirche fällt zusammen, sie ist nicht auf Stein, sondern auf Sand gebaut“. Er halte derzeit alles für möglich, sagte Weisner. „Rom ist vermutlich handlungsunfähig.“

Auf die Frage nach einer Erfolg versprechenden Vorgehensweise tut sich Weisner allerdings etwas schwer: „Es gibt keine Formel von einem Guru, der sagt: Das musst du tun.“ Noch sei der Protest nicht umfassend genug. Es sei derzeit aber Sand im Getriebe „und wir müssen da dran bleiben, den Dialog auf Augenhöhe fordern und die falschen Denkmäler vom Sockel holen.“

Klaus Heller, Pfarrgemeinderat in Ottobrunn, betonte: „Wir wollen den Apparat nicht finanzieren.“ Deutlich wird: Viele haben in diesen Tagen keine Lust mehr, Kirchensteuer zu zahlen. Weisner hält den Austritt aber nicht für den richtigen Weg. Die Kirchenleitung sei auf die Steuern nicht angewiesen und werde doch sehr aufpassen, dass die Struktur nicht zerfalle. „Jeder Austritt schwächt die Reformkräfte.“

Die Diskussion am Wochenende war die Auftaktveranstaltung zu einer Reihe von Gesprächen über Kirchenreform. In loser Folge sollen weitere Diskussionen stattfinden.

Zuletzt geändert am 04­.05.2010