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Veröffentlicht am 31­.12.2007

31.12.2007 - www.linkszeitung.de

Umstrittener Bischof Müller macht im Vatikan Karriere

Päpstliche Berufung trotz Missbrauchsskandal

Von Klaudia Ring

Rom/München/ Regensburg (LiZ). Monatelang anhaltende Negativ- schlagzeilen und Proteste von Gläubigen konnten Rom nicht beeindrucken: Papst Benedikt XVI. (bürgerlich: Joseph Alois Ratzinger) hat ausgerechnet den sogar in der konservativen Oberpfalz umstrittenen Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller in die Glaubens- kongregation berufen. Dem Vatikan trägt die Entscheidung erneut den Vorwurf ein, hochmütig und machtbesessenen zu handeln. Die KirchenVolks- Bewegung "Wir sind Kirche" übt denn auch für kirchliche Kreise außergewöhnlich scharfe Kritik: Müllers Berufung sei äußerst problematisch, solange seine Verantwortlichkeit im Umgang mit einem spektakulären sexuellen Missbrauchsfall in seinem Bistum noch nicht restlos aufgeklärt sei.

Der Versuch des Bistums Regensburg, einen sexuellen Missbrauchsfall durch einen Priester unter der Decke zu halten, brachte über Wochen negative Schlagzeilen und den Bischof höchstselbst in die Kritik. Der örtliche Pfarrgemeinderat hatte Bischof Müller nach der Verhaftung des Priesters gar vorgeworfen, dass er die Menschen angesichts der aktenkundigen dunklen Vergangenheit des Pfarrers hintergangen und getäuscht habe.

Müller mag als anerkannter Dogmatiker gelten, doch seine Berufung in die Glaubenskongregation halten Kirchenkreise für einen Affront gegen die von Papst Johannes Paul II. eingeleitete Null-Toleranz- Politik in dieser Frage. Sie konterkariere alle Bemühungen, für eine klare Linie bei sexuellem Missbrauch in der Kirche und werde bei sehr vielen Menschen auf großes Unverständnis stoßen. Gerügt wird auch, dass zu Müllers Fehlleistung weder die Deutsche Bischofskonferenz noch der Vatikan klar Stellung bezogen hatten.

"Für das kommende Jahr stellt sich die wichtige Frage, welchen Kurs die 2007 vom Papst eingesetzten Bischöfe, der ausgewechselte Nuntius in Deutschland und der ausgerechnet jetzt in die Glaubenskongregation berufene Bischof Müller steuern werden", so "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner gegenüber der Linkszeitung. "Werden sie rasch ein gutes Gespür für die pastorale, ökumenische und soziale Situation in unserem Land gewinnen? Werden sie einen partnerschaftlichen Leitungsstil ausüben im intensiven Dialog auch mit den haupt- und ehrenamtlichen Laien, den Räten und den konzilsorientierten Gruppierungen in unserer Kirche?"

Die international vernetzte KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" werde auch 2008 die "Stimme des Kirchenvolks" zu Gehör bringen, etwa bei anstehenden Bischofsbestellungen, zum Papstbesuch der UN, beim Katholikentag Ende Mai in Osnabrück, zum Weltjugendtag in Australien und bei den Vorbereitungen für den Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München. Diese Stimme werde angesichts des restaurativen Klimas in der römisch-katholischen Kirche immer notwendiger.

Weisner: "Die Ziele des 1995 allein im deutschsprachigen Raum von 2,5 Millionen Menschen unterschriebenen KirchenVolksBegehrens sind mittlerweile weltweit zum Reformkanon geworden für eine heutige, den Menschen zugewandte katholische Kirche im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils und der darauf aufbauenden theologischen Forschung und pastoralen Praxis".

Die Glaubenskongregation, in die der Regensburger Bischof berufen wurde, hat pikanterweise die Aufgabe, die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche zu fördern und schützen. Während das Thema Religion in dem zu Ende gehenden Jahr in der Öffentlichkeit merklich an Bedeutung gewann, hat die römisch- katholische Kirche nach Ansicht von Kirchenexperten jedoch kaum von dem Trend profitiert.

Auch die KirchenVolksBewegung bezweifelt, dass die wiederentdeckte Religiosität wieder mehr Heimat in den Großkirchen findet. Die ein Jahr zuvor veröffentlichte "Sinus-Studie" zeige sehr ernüchternd auf, dass die römisch-katholische Kirche nur noch einen Bruchteil der gesellschaftlichen Milieus erreiche. Auch der "Religionsmonitor" sehe trotz Massenevents und Papstbesuch noch keine wirkliche Renaissance des Glaubens.

Milde Papstworte - harter Kurs

Trotz milder Worte des Papstes zeigten die römischen Verlautbarungen dieses Jahres immer deutlicher den Rückzug auf überholte Lehrformeln und sogar Versuche, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962- 1965) im Sinne der vorkonziliaren Theologie zu interpretieren und schrittweise rückgängig zu machen. Die rückwärtsgewandte Ausrichtung dieses Pontifikats wird so immer deutlicher.

Benedikt XVI. verspricht Halt und Orientierung in unsicheren Zeiten. Aber die Enttäuschung im Kirchenvolk wächst offenbar, da auch im dritten Jahr seines Pontifikats keine Lösung zentraler pastoraler Fragen in Sicht ist. Ratzingers Kritiker bemängeln auch eine fehlende Lösung für die weltweit immer drängendere Frage, wie angesichts des dramatischen Priestermangels die Gemeinden überhaupt noch Eucharistie feiern können.

Mit seinem vielgepriesenen Jesus-Buch lädt Joseph Ratzinger als Buchautor zum Widerspruch ein - als Papst Benedikt duldet er keinen Widerspruch. Der Befreiungstheologe Pater Jon Sobrino SJ wurde vom "deutschen Papst" öffentlich gerügt und die gesicherten Ergebnisse der historisch-kritischen Methoden der Bibelauslegung leugnet der Papst, der es als Theologe doch besser wissen müsste.

Konträr zu den Empfehlungen der weltweiten Bischofs-Synode 2005 hat Benedikt im Juli 2007 die völlige Freigabe der vorkonziliaren Liturgie angeordnet. Die sei ein Indiz für die Macht zahlenmäßig kleiner, aber offensichtlich sehr einflussreicher traditionalistischer und restaurativer Kräfte innerhalb der Kirche, so die KirchenVolksBewegung, die nun neue innerkirchliche Spaltungen befürchtet.

Das Schreiben der Glaubenskongregation zur "Lehre über die Kirche", ebenfalls vom Juli 2007, habe zu großen Irritationen in der Ökumene geführt und die ökumenischen Treffen dieses Jahres überschattet. Dieses Schreiben mit seiner Umdeutung der differenzierten Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils gefährde das Verhältnis zu den anderen christlichen Kirchen.

Auch die zweite Enzyklika des Papstes zum Thema Hoffnung, die mit keinem Wort das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" (Freude und Hoffnung) erwähnt, könne als Abschied vom Konzil gedeutet werden. Vor allem sei aber zu fragen, welche konkreten Hoffnungen diese Enzyklika für das Leben der Gläubigen in der römisch-katholischen Kirche und für die Ökumene mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen bringe.

So wurde in der jüngsten "Lehrmäßigen Note" zur Evangelisierung entsprechend konsequent am unreflektierten Missionsbegriff festgehalten. Angesichts ihres fragwürdigen aber immer wiederholten Alleinvertretungsanspruchs müsse sich die römisch-katholische Kirche fragen lassen, wie ernst ihr überhaupt noch Ökumene und ein ehrlicher Dialog auf Augenhöhe seien.

Gerade in einem säkularen Europa sollten die christlichen Kirchen gemeinsam Zeugnis geben und selber sichtbare Zeichen der eigenen Erneuerung und der Einheit untereinander setzen. Denn die Versöhnung zwischen den Konfessionen und Religionen sei ein eminent wichtiger Baustein für das weitere Zusammenwachsen Europas und darüber hinaus für die Sicherung des Friedens in der Welt.

Doch die Kirchen befänden sich in Verteidigungshaltung - Selbstdarstellung und Polarisierung hätten zugenommen. Päpstliche Lehrschreiben alleine und markige Medienauftritte von Bischöfen seien aber keine ausreichende Antwort auf die zunehmende Suche der Menschen nach Spiritualität, nach Sinn und Halt. Statt nur zu predigen sollten die Kirchen mehr zuhören und die Menschen in ihrem konkreten Alltag begleiten - so wie Jesus dies getan hat.

Zuletzt geändert am 02­.01.2008